Die Justiz in Lampertheim hat weit in die Vergangenheit reichende Wurzeln. Bereits in der fränkischen Zeit oblag die Rechtsprechung vom Volk gewählten Richtern. Jene reisten von Gerichtstätte zu Gerichtsstätte und hielten unter freiem Himmel und an besonderen Plätzen Gericht.
Aus dieser Tradition entwickelten sich zunächst die Grafschaftsgerichte mit dem Gaugrafen als Vorsitzendem. Die Unterbezirke stellten die Zentgerichte, deren eines der bedeutendsten auf dem Landberg bei Heppenheim angesiedelt war. Zu jenem Zentgericht gehörten insgesamt 33 Orte, darunter auch Biblis und Bürstadt . Lampertheim gehörte ebenso wie Viernheim auf Grund der durch die Pfandschaft von 1386 bestehenden pfälzischen Zuständigkeiten zum Schriesheimer Zentgericht. Urkundlich belegt ist diese Zuständigkeit mind. seit 1430.
Dem Zentgericht oblag unter Vorsitz eines von dem Landesherrn bestellten Zentgrafen ausschließlich die Blutgerichtsbarkeit (Hochgericht). Es saß über Kapitalverbrechen und konnte in dieser Eigenschaft sowohl Todes- als auch Verstümmelungsstrafen verhängen. Die Tätigkeit der Zentgerichte lässt sich bis in das 19. Jahrhundert belegen. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts verurteilte das Beerfelder Zentgericht eine Zigeunerin wegen Diebstahls einiger Brote und Hühner zum Tod durch den Strang; die Hinrichtung erfolgte sofort nach dem Urteilsspruch. Eine am Beerfelder Galgen angebrachte Tafel kündet auch heute noch von diesem harten Urteil.
Als im Jahre 1705 die Kellerei Stein und mit ihr Lampertheim wieder uneingeschränkt an das Hochstift Worms kam, endete auch Lampertheims Zugehörigkeit zum Zentgericht Schriesheim und erhielt in der weiteren Folge ein eigenes Hochgericht, das sich, wie sich aus den urkundlichen Überlieferungen ergibt, auf einer kleinen Sandkuppe im Gebiet Heide befand.
Ebenso wie für das Zentgericht Beerfelden war auch in Lampertheim als Zeichen der Hohen Gerichtsbarkeit ein Galgen errichtet worden; er befand sich in unmittelbarer Nähe der Straße Frankfurt – Mannheim und der Ladenburg – Lampertheim – Wormser Straße. Ursprünglich bestand ein Galgen der damaligen Zeit aus einer aufrechten Säule, an deren oberen Ende ein Balken rechtwinklig eingriff. Bekannt sind auch mehrere Pfosten mit darüber gelegten Verbindungsbalken oder gemauerte, kreisförmige Erhöhungen, auf der drei Säulen oder Pfeiler die Querbalken trugen. Am Galgen erhängt zu werden war seit dem Mittelalter gegenüber der Enthauptung eine schimpflichere Strafe, welche vorwiegend gegen Diebe und Delinquenten niederer Stände verhängt wurde.
Der Galgen wurde 1871 durch § 13 StGB durch die Volllzugsart der Enthauptung abgeschafft, im Zuge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vorübergehend wieder eingeführt und nach deren Ende dauerhaft abgeschafft.
Für das Lampertheimer Zentgericht sind insgesamt lediglich 2 Hinrichtungen an dieser Hinrichtungsstätte urkundlich belegt. In beiden Fällen waren Frauen betroffen, die ihre nichtehelichen Kinder getötet hatten.
Nun zu glauben, dass lediglich Kapitalverbrechen verfolgt worden seien, hieße einem Irrtum zu unterliegen. Kleinere Diebstähle, Beleidigungen, Hausfriedensbruch, Feldfrevel und ähnliches gelangte vor das Dorfgericht. Diese außerordentlich wichtige Institution bestand in Lampertheim bis zur Einführung der Landgemeindeordnung im Jahre 1821, ab 1803 neben dem Justizamt Lampertheim, dem u.a. die Strafsachen übertragen waren, welche nicht zur Zuständigkeit des Dorfgerichts gehörten. Den Vorsitz im Dorfgericht übte der Schultheiß aus, unterstützt von auf Lebenszeit gewählten und durch den Landesherrn bestätigten Schöffen, Gerichtsmännern oder Gerichtsfreunden. Neben der Strafgerichtsbarkeit nahm das Dorfgericht die Zivilgerichtsbarkeit und die freiwillige Gerichtsbarkeit wahr, schloss Vergleiche, sprach Urteile und nahm Urkunden auf. Daneben oblag dem Dorfgericht jeweils zu Jahresbeginn die Vergabe besonderer Gemeindeämter wie das Amt des Dorfschäfers, des Feuerbesehers, Nachtwächters, Feldschützen, Pferde- und Kuhhirten, Schweinehirten, Büttels, Brotwiegers und anderer mehr. Die Sitzungen des Dorfgerichts erfolgten unter freiem Himmel bei dem Rathaus oder im Rathaus.
Im Jahre 1821 schließlich gelangte Lampertheim zu dem Bezirk des neu geschaffenen Landgerichts und späteren Amtsgerichts Lorsch. Dieses umfasste zuletzt 21 Ortschaften, darunter die Orte Lorsch, Heppenheim, Viernheim, Lampertheim, Bürstadt, Hofheim, Bobstadt, Erbach, Groß- und Klein-Hausen, Kirschhausen, Ober- und Unterhambach sowie Walderlenbach. Es betreute mit zuletzt 4 Richtern insgesamt ca. 38.000 Einwohner, wobei Lampertheim mit 8.000 Einwohner zu den größeren Orten des Bezirks gehörte; Viernheim zählte im Jahr 1900 etwa 7.000 Einwohner und lag damit geringfügig hinter Lampertheim zurück.
Diese Größenverhältnisse mögen für den damaligen Bürgermeister von Lampertheim, Adam Seelinger IX, Anlass gewesen sein, in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter mit der Drucksache 291 des XXXI. Landtags vor der Zweiten Kammer der Landstände den Antrag einzubringen, „Verehrliche Kammer wolle beschließen, Großherzogliche Regierung zu ersuchen, veranlassen zu wollen und zu beantragen, dass ein Amtsgericht mit dem Sitze in Lampertheim errichtet werde“.
Zur Begründung führte Seelinger aus, dass Lampertheim mit den Gemarkungen Hüttenfeld, Neuschloß und Rosengarten gegen 8.000 Einwohner aufweise und damit etwa 1/3 mehr als Lorsch. Daneben sei zu beachten, dass Lampertheim der achtgrößte Ort des Großherzogtums sei und damit Anspruch auf ein eigenes Amtsgericht habe. Da aber nicht alleine die Größe eines Ortes über die Frage entscheiden konnte, ob es ein Gericht bekommt, führte Seelinger weiter aus, dass die Gemarkung 17.452 Morgen umfasse und „es findet in derselben ein bedeutender Güterwechsel statt. Daselbst ist ein großer Handel, namentlich Holz- und Tabakhandel und eine lebhafte Industrie; es sind außer der chemischen Industrie Neuschloß fünf Cigarrenfabriken hier“. Besondere Bedeutung maß Seelinger der Verkehrsverbindung bei. So wies er darauf hin, dass „eine Reise nach Lorsch ... für den Betreffenden , namentlich für unsere auswärts beschäftigten Fabrikarbeiter immer mit bedeutenden pekuniären Nachtheilen verbunden (sei). Nicht allein, dass er Auslagen für Bahnfahrt und Zehrung hat, er geht auch noch seines Arbeitsverdienstes von 3-4 M. für den ganzen Tag verlustig, da es ihm der ungünstigen Bahnverbindungen zwischen Lampertheim und Lorsch wegen unmöglich ist, nachmittags rechtzeitig wieder auf seiner Arbeitsstätte zu erscheinen. Welch eine horrende Summe Geldes das Jahr über den Leuten auf diese Weise verloren geht, lässt sich leicht denken; andererseits dürfte aber auch in Berücksichtigung zu ziehen sein, welche bedeutende Ersparnis der Staat an Zeugengebühren und Diäten erzielen würde“.
Wie so oft in der Geschichte der Justiz dürfte dieses Argument in den Augen der Verantwortlichen sehr schwer gewogen haben. Dies erkennend, hat Seelinger in der Folge nicht nur aus seinem eigenen Grundbesitz eine in der Stadtmitte gelegene Fläche von 2.646 m² für 20.000,- Mark sofort zur Verfügung gestellt sondern auch als Bürgermeister dafür gesorgt, dass „sämmtliche Gebäulichkeiten auf ihre (der Gemeinde, d. Verf.) Kosten aufzuführen und dieselben dem Staate gegen eine jährliche Vergütung der 5 prozentigen Zinsen des Baukapitals zu überlassen“ werden.
Es liegt auf der Hand, dass die Bemühungen des Landtagsabgeordneten am Sitz des Amtsgerichts Lorsch mehr als kritisch betrachtet wurden. Wie auch heute noch in der Justiz üblich, begann ein ausführliches Berichtswesen zu der Frage, ob in Lampertheim ein eigenständiges Amtsgericht zu errichten sei.
So erfolgte 25.Juni 1900 eine Stellungnahme des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz an das Ministerium der Finanzen. Dem folgten 28.Juni 1900 der Bericht des Präsidenten des Großherzoglichen Oberlandesgerichts an das Großherzogliche Mi-nisterium der Justiz, beinhaltend den Bericht des Präsidenten des Großherzoglichen Landgerichts der Provinz Starkenburg v. 24.Juni 1900, dieser wiederum beinhaltend den Bericht des aufsichtsführenden Richters des Großherzoglichen Amtsgerichts Lorsch v. 21.Juni 1900. Jene Stellungnahme betrachtet die Frage, ob ein Amtsgericht Lampertheim eingerichtet werden solle, unter 2 Gesichtspunkten:
- Empfiehlt es sich für die Justizverwaltung im Interesse der Rechtspflege an Stelle größerer Amtsgerichte kleinere Gerichtsbezirke zu bilden und
- Liegen sonstige Gründe für den Amtsgerichtsbezirk Lorsch zu Gunsten der Gemeinde Lampertheim vor?
Zur ersten Frage stellt der damals aufsichtsführende Richter fest, dass an größeren Gerichten der fachliche Austausch unter den Kollegen besser gewährleistet sei. Gerade wegen der Neueinführung des BGB zum 01.01.1900 und den damit verbundenen Neuerungen komme diesem Aspekt besondere Bedeutung zu. Daneben betont er die bessere Vertretungsregelung an größeren Gerichten und sonstige dienstliche Belange, die heute in gleicher Weise angeführt würden und angesichts der aktuellen Gerichtsschließungen angeführt werden.
Daneben wird darauf hingewiesen, dass der Bezirk Lorsch mit Lorsch, Klein-Hausen, Groß-Hausen, Heppenheim, Hambach, Kirschhausen, Walderlenbach, Obererlenbach, Erbach und Sonderbach nur noch 14.130 Seelen umfasse, wofür 2 Richter ausreichten. Das Gerichtsgebäude sei aber für 3-4 Richter bestimmt. Derzeit seien 4 Richter mit der Arbeit befasst. Der Bezirk Lampertheim sei mit 22.000 EW für 2 Richter zu groß, der Restbezirk Lorsch für 1 Richter ebenfalls zu groß, so dass Lampertheim 3 Richter benötige, Lorsch 2. Damit erhöhe sich die Anzahl der erforderlichen Richter von 4 auf 5.
Zu dem Argument der besseren Erreichbarkeit wurde ausgeführt, dass dieses Argument für Bürstadt, Hofheim und Bobstadt absolut unrichtig sei. Der Weg von Viernheim nach Lorsch sei in 2,5 h zurückzulegen, fast ebenso weit sei der Weg von Viernheim nach Lampertheim. Lampertheim-Lorsch sei in 28 min zurückzulegen, der Anschluss von Viernheim nach Lorsch sei in jeder Hinsicht genügend.
Zusammenfassend kommt der Kollege zu dem Schluss, dass keinerlei Gründe für die Errichtung eines AG Lampertheim sprächen.
Auch damals bemühte die örtliche Justiz - wie übrigens 95 Jahre später erneut - die Gemeinde des Gerichtssitzes um Schützenhilfe, die ihr durch die Gemeinde Lorsch gerne gewährt wurde. So reichte die Gemeindevertretung Lorsch an die Zweite Kammer der Stände des Großherzogtums mit der Drucksache 357 eine Vorstellung ein mit der „ehrerbietigsten Bitte: hohe zweite Kammer wolle dem Antrag des Herrn Landtagsabgeordneten Seelinger betreffend die Errichtung eines Amtsgerichts in Lampertheim keine Folge geben“.
Man sehe es geradezu als eine Pflichtverletzung an, wenn man sich nicht mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Annahme des gestellten Antrags bekämpfen würde.
Zur Begründung und Rechtfertigung „dieser unserer ehrerbietigsten Bitte“ wies man zunächst darauf hin, dass die Gemeinde seit 1820 Sitz eines Amtsgerichts sei. Im Vertrauen auf Bestand und Erhalt des Gerichtsortes habe „die Gemeinde im Jahre 1879 auf ihre Kosten ein neues Amtsgerichtsgebäude nebst Wohnung für den dienstaufsichtsführenden Richter mit einem Kostenaufwand on 70.000 M. erbaut und erst neuerdings habe die Gemeinde Lorsch wiederum zur Herstellung eines Erweiterungsbaus für das Grundbuchsamt sich verpflichtet, der einschließlich der Kosten der Geländeerwerbung einen Kostenaufwand von 18.000 bis 20.000 M. verursachen wird“. Dieses schwere Geldopfer sei nur in der Unterstellung und sicheren Erwartung erbracht worden, dass der Bestand des Amtsgerichts nicht beeinträchtigt wird.
Daneben, so wurde ausgeführt, bestehe angesichts der guten Verbindungen per Bahn und auf dem Landweg keinerlei Notwendigkeit, ein Amtsgericht Lampertheim zu bilden. Auch die Gemeindevertreter von Lorsch erkannten frühzeitig, dass die Justiz, da von einer Finanzierung durch den Finanzminister abhängig, am ehesten mit Kostenargumenten getroffen werden kann. Folglich wiesen sie darauf hin, dass Bau und Unterhaltung eines weiteren Gerichts erhebliche Kosten verursache. Diesem Argument gleichwohl nicht voll vertrauend schoben sie nach, dass es wohl nicht angehe, wenn „schließlich jeder größere Ort eines Amtsgerichtsbezirks für sich einen Amtsgerichtssitz beanspruche“.
Allen Bemühungen der Gemeinde Lorsch zum Trotz zeigte sich der Bürgermeister Lampertheims sehr hartnäckig, ergriff mehrfach in Verhandlungen das Wort und erreichte es schließlich - sicherlich nicht zuletzt wegen des Kniffs, die Gemeinde die Gebäulichkeiten erstellen zu lassen - dass die Zweite Kammer der Landstände in ihrer 66. Sitzung am 15. Mai 1901 unter Tagesordnungspunkt II nach einer engagierten Rede des Landtagsabgeordneten Seelinger „dem Antrag des Abgeordneten Seelinger, die Errichtung eines Amtsgerichtes mit dem Sitze in Lampertheim“ einstimmig beschloss und „die Vorstellung des Gemeindevorstandes in Lorsch damit für erledigt erklärte“.
Die Entscheidung fiel in eine Zeit, in der es vielfach Bestrebungen gab, weitere Amtsgerichte einzurichten. So bemühte sich die Stadt Heppenheim seit März 1900 um die Einrichtung eines eigenen Amtsgerichts. Jener Antrag wurde in beiden Kammern „für erledigt erklärt“, am 01.05.1902 nahm das Amtsgericht Bensheim seine Tätigkeit auf.
Zeitgleich scheiterten die Bemühungen von Groß-Umstadt, die Errichtung des Amtsgerichts Dieburg zu verhindern; gleiches gilt für die Pläne Sprendlingens, ein eigenes Gericht zu erhalten.
Nachdem alle erforderlichen Ministerien beteiligt waren, stand dem Vorhaben nichts mehr im Wege. Am 01.04.1905 erfolgte die „Bekanntmachung, die Errichtung eines Amtsgerichts in Lampertheim betreffend.
„Seine Königliche Hoheit, der Großherzog haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, dass mit Wirkung zum 1. Juni d.J. in Lampertheim ein Amtsgericht errichtet und der Bezirk dieses Gerichts aus folgenden Orten und Gemarkungen gebildet wird:
Biedensand (Feldgemarkung), Lampertheim mit Hüttenfeld und Neuschloß, See-Hof (Feldgemarkung), Viernheim, Wildbahn (Waldgemarkung) nebst den zu den Gemarkungen dieser Orte und zu den bezeichneten selbständigen Gemarkung gehörenden Mühlen, Höfen und einzelnen Häusern“.
Es wird dies hierdurch mit dem Anfügen zur öffentlichen Kenntnis gebracht, dass die Tätigkeit des Amtsgerichts Lampertheim am 1. Juni d.J. beginnen wird.
Die Urkunde ist unterzeichnet von dem Großherzoglichen Minister der Justiz Dittmar.
Der Geschäftsbetrieb des mit einem Festkommers im Hotel „Zum Kaiserhof“ neu eingerichteten Amtsgerichts ging bald mit einem ausführlichen Berichtswesen einher.
Behördenleiter Wilhelm Trautwein wurde unterstützt von dem Aktuar Karl Plock, der die Aufgaben des Geschäftsleiters übernahm. Weiter waren beschäftigt Gerichtsassessor Scotti, Aktuarassistent Noll, Gerichtsschreibergehilfe Krebs, Schaubach, Will und Dofeil, Gerichtsvollzieher Rost und die Gerichtsassessoren Hager und Dittmar.
Wie viele Jahre später auch mussten die Verantwortlichen vor Ort wegen jeder einzelnen Maßnahme ausführlich berichten und darum bangen, dass die geplante Maßnahme genehmigt werde.
Urkunden aus dem Großherzoglichen Ministerium der Finanzen belegen, dass z.B. schon die Anschaffung einer Tischleuchte mit erheblichem Schreibverkehr einherging, musste doch damals noch eine Gasleitung gelegt werden.
Auch die Wasserversorgung stellte sich gelegentlich als problematisch dar. So führte der Gefangenenaufseher Stork am 04.01.1910 zu der Frage, an welcher Stelle eine Zapfstelle für Wasser anzubringen sei, wie folgt aus:
Was die Wasserversorgung im Garten des Haftlokals betrifft, so erlaube mir zu bemerken, dass sich gegenwärtig eine Saugpumpe in demselben befindet, welche das Wasser, welches aus der Waschküche und aus dem Baderaum sich in einer Grube sammelt auswirft. Da das Wasser zum Sprengen des Gartens sehr gut verwendbar ist, so dürfte die Anbringung einer Zapfstelle in demselben meines Erachtens als überflüssig erscheinen.
Der Amtsgerichtsdiener Will hingegen hielt eine Zapfstelle in seinem Garten für dringend erforderlich, da der Boden sehr trocken sei und es ihm angesichts seiner Dienstgeschäfte nicht zugemutet werden könne, die erforderlichen Wassermengen aus dem Keller des Gebäudes hochzutransportieren. Auch für den Garten des Richters wurde eine Wasserversorgung für erforderlich gehalten.
Im Ergebnis wurde sodann nach ausführlichem Schriftverkehr für den Garten des aufsichtsführenden Richters eine neue Pumpe genehmigt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass das vorgesehene Modell für den Oberamtsrichter aber ggf. zu schwergängig sei. Ein vergleichbares Modell sei bei der Oberförsterei Lorsch installiert, werde dort aber von 2 Waldarbeitern bedient, welche die Pumpe 1/2 h ununterbrochen in Betrieb halten könnten. Die Besichtigung jener Pumpe wurde anheim gestellt, gleichzeitig aber auf schnellen Bescheid gedrängt, da die Kosten noch für das alte Jahr verbucht werden sollten. Offenbar traute man dem Oberamtsrichter ungeachtet der Bedenken die notwendigen Kräfte zu und ließ eine entsprechende Pumpe installieren.
Die Behörde stand in den nächsten Jahren unter der Leitung von
- 01.06.1905 – 14.10.1913 Oberamtsrichter Wilhelm Trautwein
- 16.10.1913 – 30.04.1922 Oberamtsrichter Karl Wendel
- 01.05.1922 – 31.05.1940 Oberamtsrichter August Notnagel
- 01.06.1940 – April 1945 Amtsgerichtsrat Adolf Boeninger
So überstand das Amtsgericht einen langen Zeitraum, sprach Recht, berichtete und verwaltete, bis es schließlich von den Kriegswirren in 1945 nicht mehr verschont blieb. In den letzten Kriegstagen des März 1945 wurde das Amtsgerichtsgebäude ebenso wie das Nebengebäude Ziel der Artillerie, nachdem die amerikanische Armee bei Worms den Rhein überquert hatte. Nach dem bald folgenden militärischen Zusammenbruch trat zunächst ein völliger Stillstand der Rechtspflege ein. So gab es keine Verhandlungen, keine Strafverfolgung und keinerlei andere gerichtliche Tätigkeit. Der früherer Amtsgerichtsdirektor Bott führte aus, dass die zunächst verwaiste Stätte des Gerichts in den ersten Monaten nach dem Krieg vorerst von der UNRA (United Nations Relief and Rehabilitation Association) in Anspruch genommen wurde. Erst am 24.09.1945 gab die inzwischen durch die amerikanische Besatzungsbehörde bestellte „Deutsche Regierung des Landes Hessen“ einen Erlass heraus, der die Wiedereröffnung des Amtsgerichts Lampertheim anordnete und einen Richter sowie 6 Beamte und Angestellte für den Dienstbetrieb zuteilte. Mit primitivsten Mitteln wurden zunächst die Spuren der Zerstörung beseitigt und mit ebenso primitiven wie unzulänglichen Mitteln dann der Dienstbetrieb wieder aufgenommen. Es fehlte an Schreibmaschinen, an Papier, Schreibmaterial und vielen anderen, heute als selbstverständlich erachteten Materialien. Erst nach der Währungsreform im Juni 1948 trat allmählich eine Besserung ein.
In den folgenden Jahren wurde die Behörde von den folgenden Personen geleitet:
- 04.09.1945 – 31.12.1946 Amtsgerichtsrat Dr. Anton Münzenberger
- 01.01.1947 – 30.04.1950 Amtsgerichtsrat Rudolf Gilmer
- 01.05.1950 – 30.09.1950 Hans - Georg Bott
- 01.10.1950 – 30.04.1966 Oberamtsrichter Dr. Wilhelm Herrmann
- 01.05.1966 – 31.03.1976 Direktor des Amtsgerichts Hans - Georg Bott
- 01.04.1976 – 31.07.1995 Direktor des Amtsgerichts Dr. Martin Krause
- 01.11.1995 - 12.09.2021 Direktor des Amtsgerichts Lothar Schwarz
- Seit 13.09.2021 Direktor des Amtsgerichts Nils Bubeck
Konzentration / Spezialisierung
Während zum 01.07.1977 durch die Einrichtung des Familiengerichts das Tätigkeitsfeld des Amtsgerichts Lampertheim um ein wesentliches Rechtsgebiet erweitert wurde, gab es in den Folgejahren weitere Änderungen, welche zum Teil die Zuständigkeit des Gerichts, zu einem anderen Teil aber in erheblicher Weise die Arbeitsabläufe betrafen.
So hat die Justiz in vielen Schritten versucht, der immer größer werdenden Verfahrensflut Herr zu werden. Nachdem man eine Aufgabenkritik in vergangener Zeit ebenso wenig vorgenommen hat wie heute, war es zwangsläufig, dass die Gerichte mit Klagen überlastet wurden, die eigentlich mit einer Missbrauchsgebühr bestraft gehörten. So fehlt dem Einen oder Anderen sicherlich das Verständnis dafür, dass sich ein Richter mit einer Klage wegen einer Nebenkostenforderung von knapp 3,- DM befassen oder einen Streit darüber schlichten muss, ob die Grenzhecke nun 10 cm höher oder niedrige sein sollte.
In letzter Zeit suchte die Justiz daher ihr Heil vornehmlich in der Konzentration von Zuständigkeiten. So wurde das Mahnverfahren in Hünfeld konzentriert, die Insolvenzen gelangten nach Darmstadt, ebenso das Handelsregister mit der Folge, dass das Amtsgericht Lampertheim nunmehr im Bereich des Handelsregisters Außenstelle des Amtsgericht Darmstadt ist. Zum Schöffengericht gehörende Strafsachen hingegen werden für die Bezirke Fürth und Lampertheim am Amtsgericht Bensheim verhandelt.
Modernisierung
Daneben wuchs die Erkenntnis, dass sich auch die Justiz moderner Kommunikationsmethoden bedienen muss. Mitte der 90er Jahre hielten die ersten PCs Einzug in das Amtsgericht Lampertheim. Damals noch von manchen Mitarbeiterinnen unter Protest und Hinweis darauf abgelehnt, dass man schließlich 20 Jahre mit der Schreibmaschine gut zurechtgekommen sei, ist der Gerichtsalltag ohne den PC nicht mehr denkbar. Ende der 90er Jahre wurden justizspezifische Programme gefertigt, die ebenfalls dazu beitrugen, Arbeitsabläufe zu beschleunigen.
Geradezu revolutionär war die Einführung von Service-Einheiten. Während bis etwa 1998 eine strikte Trennung zwischen Geschäftsstelle (Registratur) und Schreibdienst herrschte (führte dazu, dass eine Akte vom Eingang bis zu ihrer Erledigung mehr als 70 mal durch den Wachtmeister hin- und hergetragen wurde), sieht die neue Organisationsform nunmehr vor, dass jeder Mitarbeiter einer Serviceeinheit beide Bereiche beherrscht und die Akte das Geschäftszimmer nur noch verlässt, wenn sie von Richter oder Rechtspflegern benötigt wird. Dies sichert eine nahezu ständige Zugriffsmöglichkeit mit verbesserter Auskunftsmöglichkeit für den rechtsuchenden Bürger.
In 2003 schließlich wurde mit dem System „Solum Star“ das elektronische Grundbuch eingeführt. Dies ermöglicht es Notaren, Banken und anderen Berechtigten vom eigenen Schreibtisch aus Zugriff auf den Grundbuchbestand in ganz Hessen zu nehmen. Hierdurch entfallen für den Bürger lange Wege zu den einzelnen Grundbuchämtern, sämtliche Verfahrensabläufe konnten ein weiteres Mal beschleunigt werden.
Durch diese frühzeitige Zuwendung zur EDV hat sich das Amtsgericht zu einer leistungsstarken Behörde entwickelt, welches über E-Mail, elektronische Datenbänke, elektronisches Grundbuch, Spracherkennung, sowie elektronisches Postfach verfügt.
Äußeres
Auch das äußere Erscheinungsbild des Gerichts veränderte sich im Laufe der Zeit. Während zunächst nur das heutige Gebäude A dem Gerichtsbetrieb diente, stehen heute mit den Häusern C (Grundbuchamt) und D (ehemalige Wochenendarrestanstalt) und dem Gebäude B weitere Räume zur Verfügung.
Gerade das Gebäude B (früheres Allendorfsches Anwesen) war Gegenstand erbitterter Verhandlungen mit dem Hessischen Ministers der Finanzen. Wenngleich Einigkeit darüber herrschte, dass das Amtsgericht Lampertheim „aus allen Nähten platzte“ und dringend weiterer Raum geschaffen werden musste, vertrat der Finanzminister doch zunächst die Auffassung, dass es billiger sei, an anderer Stelle in Lampertheim ein weiteres Gebäude anzumieten. In umfangreichen Schreiben gelang es sodann, die Ministerialbürokratie zu überzeugen, dass der Ankauf des Allendorf’schen Anwesens eine ideale und auf Dauer kostengünstigere Lösung darstelle. So konnte im November 1996 schließlich der notarielle Kaufvertrag unterzeichnet werden. Nach langwierigen Umbauarbeiten erfolgte der Bezug im Mai 1998, so dass das Familiengericht und die Betreuungsabteilung nunmehr über ausreichenden Raum verfügen. Die Zeiten, in denen sich 4 Mitarbeiterinnen einen ca. 25 m² großen Raum mit Aktenschränken, Formularschränken 3 Schreibmaschinen und einem PC nebst Drucker teilen mussten, waren nunmehr endgültig zu Ende.