Seit dem 1. Januar 2018 können Parteien wählen, ob sie ihre Rechtsstreitigkeiten bei der neu eingerichteten Kammer für internationale Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main entscheiden lassen.
Warum wurde die Kammer eingerichtet?
Deutschland bietet weltweit eines der besten, dem Rechtsstaatsprinzip unterliegenden Gerichtssysteme an. Die Kammer für internationale Handelssachen wurde eingerichtet, um einen attraktiven Gerichtsstand für grenzüberschreitende Rechtsstreite englisch sprechender Parteien zu schaffen, der es den Parteien ermöglicht von Deutschlands verlässlichen und raschen Verfahren der Streitbeilegung und hoch effizienten Vollstreckungsverfahren zu partizipieren.
Welche Verfahren sind geeignet?
Die Kammer verhandelt internationale Handelssachen auf Antrag der Parteien. Die Geschäftsverteilung des Landgerichts Frankfurt am Main 2018 lautet:
„Verfahren, die der Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen gem. Stammturnus KfH unterliegen und für die keine Sonderzuständigkeit einer anderen Kammer begründet ist, werden, soweit der Rechtsstreit einen internationalen Bezug aufweist und die Parteien bis zum Ablauf der Klageerwiderungsfrist übereinstimmend erklären, dass sie die mündlichen Verhandlung in englischer Sprache führen wollen und auf einen Dolmetscher verzichten, vor der 2. Kammer für Handelssachen verhandelt.“
Welche Gesetze finden Anwendung?
Die Kammer für internationale Handelssachen wendet die deutsche Zivilprozessordnung an. Dieses Gesetz regelt alle – inländischen und internationalen – Zivilprozesse. Die mündliche Verhandlung wird in englischer Sprache durchgeführt.
Wie ist die Kammer für internationale Handelssachen besetzt?
Die Kammer ist mit 3 Richtern besetzt. Der Vorsitzende Richter ist ein sehr erfahrener, auf Lebenszeit ernannter Berufsrichter des Landgerichts Frankfurt am Main. Die jeweils anderen beiden Richter sind Geschäftsleute, die auf Empfehlung der Industrie- und Handelskammer für einen Zeitraum von 5 Jahren ernannt werden.
Sind die Verfahren öffentlich?
Deutsche Gerichtsentscheidungen ergehen im Namen des Volkes. Daher sind Gerichtsverhandlungen im Regelfall öffentlich.
Was kosten die Verfahren?
Für vor der Kammer für internationale Handelssachen geführte Verfahren entstehen keine zusätzlichen Kosten. Wie für jedes Verfahren vor einem deutschen Gericht hängen die Kosten vom Streitwert ab, der nach Rücksprache mit den Parteien festgelegt wird. Grundsätzlich hat diejenige Partei die Gerichtskosten und die berechtigten Kosten der anderen Partei zu tragen, die in dem Rechtsstreit oder Verfahren unterliegt.
Welche Verfahrensweise können die Parteien grundsätzlich erwarten?
Im deutschen Gerichtswesen leiten die Richter aktiv das Verfahren. Der Vorsitzende Richter bestimmt in der Regel einen frühen ersten Termin binnen 4 bis 6 Monaten nach Klageeinreichung.
Grundsätzlich beginnt die mündliche Verhandlung mit der Güteverhandlung, in der die Möglichkeiten einer gütlichen Streitbeilegung mit den Parteien besprochen werden. Die Kammer unterstützt eine gütliche Streitbeilegung in jedem Verfahrensstadium. Die Kammer wird den Parteien üblicherweise ihre erste Einschätzung der Sach- und Rechtslage mitteilen, um Vergleichsverhandlungen zu unterstützen. Diese Einschätzung kann auch mit der Darlegung einer professionellen Prozessrisikoanalyse einhergehen, um den Parteien eine angemessene Kosten- Risiko- und Nutzenanalyse zu ermöglichen.
Kommt es zu keiner Einigung, wird der frühe erste Termin durchgeführt. In diesem Termin wird die Kammer mit den Parteien und deren Anwälten die weitere Fortführung des Verfahrens besprechen. Diese Erörterung ist vergleichbar mit der „Case Management Conference“ in Schiedsverfahren. Die Kammer wird mit den Parteien erörtern, wie sie weiter mit dem Verfahren umgehen wird z. B. durch Beweisaufnahme, Austausch von Urkunden, Zeugenvernehmung oder Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen. Die Erörterung mit den Parteien findet statt, um einen raschen und effizienten Verfahrensablauf zu ermöglichen.
Das Ziel ist vor einer Entscheidung nur eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen, in der auch Beweis erhoben oder weitere Argumente mündlich ausgetauscht werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, kann die Kammer den Parteien Hinweise erteilen. Die Kammer kann auch schriftliche Zeugenaussagen oder eine Videovernehmung von Zeugen anordnen.
Der Vorsitzende Richter errichtet ein Protokoll über die mündliche Verhandlung, in dem eine Zusammenfassung der Klagegründe und Anerkenntnisse, erzielte Vergleiche, Hinweise, Beschlüsse oder Entscheidungen enthalten sind. Das Protokoll hält den Inhalt der Verhandlung und die darin getroffenen Maßnahmen fest. Soweit Zeugen oder Sachverständige gehört werden, kann die Vernehmung bzw. Anhörung vollständig elektronisch aufgezeichnet und den Parteien über das elektronische Serversystem HessenDrive übermittelt werden.
Die Kammer verkündet entweder direkt im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine Entscheidung, einen Beschluss oder eine Zwischenentscheidung oder an einem von der Kammer bestimmten späteren Termin.