Geschichte der Gerichtsbarkeit im Hinterland

Biedenkopfer Gerichte ab dem Mittelalter

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gehörten die Orte, die seit 1974 die Stadt Biedenkopf bilden, mehreren Gerichten an: Das Gericht Breidenbach umfasste Breidenstein, Wallau und Weifenbach. Eckelshausen, Kombach und Katzenbach gehörten dem Gericht Dautphe an, wohingegen Biedenkopf bereits einen eigenen Gerichtsstand bildete. Außerdem bestand das Gericht Dexbach, welchem die Ortschaften Dexbach, Engelbach und das Dorf Pferdsbach angehörten.

Der Amtmann des Amtes Biedenkopf, von dessen Tätigkeit bereits 1302 berichtet wurde, entschied in Verhandlungen über die Festlegung von Bußen. Die Verfahren wurden ihm vom jeweiligen Gerichtsschreiber zugetragen. Über Kriminalfälle sowie sonstige für die Bevölkerung wichtige Verfahren, die wiederum vom Amtmann übermittelt wurden, richtete hingegen der Landgraf selbst.

Biedenkopf besaß ab 1593 ein Gemeindegericht, heute als Amtsgericht bekannt, sowie ein Land- und Rügegericht, wobei Zweitgenanntes heutzutage als Schöffengericht geläufig ist.

Als Beauftragter des Landgrafen trat, wie bereits seit 1251 üblich, ein Schultheiß, vergleichbar mit dem heutigen Richter, in Erscheinung. Ihm zur Seite standen mehrere hochangesehene Bürger der Stadt. Als erster Schultheiß ist aus dem Jahr 1251 ein Bürger namens Sifridus überliefert, der auch bei der ersten urkundlichen Erwähnung Biedenkopfs im Jahre 1254 erwähnt wird. Als letzter Schultheiß ist ein Amtschultheiß namens Schmittborn, der ab dem Jahr 1766 tätig war, überliefert.

Historische Entwicklung in jüngerer Zeit

Am 06.01.1821, im Jahr der Ersten Hessischen Verwaltungsreform, tagte das Stadtgericht in Biedenkopf zum letzten Mal. Ab diesem Tag existierten zwei eigenständige Landgerichte (Großherzoglich Hessisches Landgericht) jeweils in Gladenbach und Biedenkopf. Letzteres fungierte sogar als Sitz des Bezirksstrafgerichts, welches für die Landgerichtsbezirke Biedenkopf, Gladenbach, Battenberg und Vöhl zuständig war.

Im Jahr 1867 wurde das Königlich Preußische Amtsgericht Biedenkopf als Nachfolger des Großherzoglich Hessischen Landgerichts eingesetzt, wobei sich dieses zuerst in der Hainstraße 12 befand und 1893 an den heutigen Sitz in der Hainstraße 72 wechselte. Dieser repräsentative Neubau eines Gerichtsgebäudes wurde auf einem brach liegenden Grundstück in der Kernstadt errichtet. Der Posthalter und Hotelier des Hotels „Zum Hirsch“ am Marktplatz Philipp Stapp hatte der Stadt Biedenkopf den Bauplatz zum Kauf angeboten. Nach längeren Verhandlungen sowie einer dreijährigen Planungszeit wurde das Gerichtsgebäude 1893 fertig gestellt.

In dem heute als „Nebengebäude“ bezeichnete Haus in der Hainstraße 70 sind das Familiengericht sowie die Bewährungshilfe untergebracht. Die gründerzeitliche Industriellenvilla gehörte den Buderus`schen Eisenwerken. Friedrich Stoppel, beruflich tätig als Betriebsleiter des eisenverarbeitenden Betriebes Buderus auf der Ludwigshütte, bewohnte das Obergeschoss, Otto Elmar Fischer, der auch bei Buderus beschäftigt war, wohnte in der Wohnung im Erdgeschoss. 

Haupt- und Nebengebäude stehen heute unter Denkmalschutz (Ensembleschutz) und bieten nach mehrfachen baulichen Veränderungen optimale räumliche Voraussetzungen für einen modernen Justizbetrieb.

Historische Eckdaten

Jahr Historische Eckdaten
1821 Trennung von Verwaltungs- und Justizbehörden (seitdem eigenständige Gerichte) 
1821-1867  Gerichte in Biedenkopf (Hainstraße 12) und Gladenbach (Marktstraße 9) 
1867  Königlich-Preußische Amtsgerichte mit Neubauten in Biedenkopf
(Hainstraße 72) und Gladenbach (Gießener Straße 27) 
1945  Hessische Amtsgerichte in Biedenkopf und Gladenbach 
1964 Anbau für das Grundbuchamt am Amtsgericht Biedenkopf
1968 Amtsgericht Gladenbach wird Zweigstelle des Amtsgerichts Biedenkopf
1977 Übernahme des Familiengerichts des Amtsgerichts Frankenberg, dadurch Erweiterung des Amtsgerichts Biedenkopf und Nutzung des Nebengebäudes Hainstraße 70
2003  Auflösung und Eingliederung der Zweigstelle Gladenbach in das Amtsgericht Biedenkopf 

 

Bezirksgefängnis in Biedenkopf

Auf dem Plitt`schen Gelände - heute eher als Dienstleistungszentrum mit Ärzte- und Sanitätshaus sowie Sitz der Agentur für Arbeit bekannt - befand sich bis 1959 für den früheren Land- und späteren Amtsgerichtsbezirk Biedenkopf ein Bezirksgefängnis.

Um die beiden Gebäude am damaligen Unteren Mühlweg Nr. 5 zog sich eine etwa drei Meter hohe Mauer. Als Baujahr für das Anwesen ist das Jahr 1857 hinterlegt. Zuvor diente ein Stadtturm Biedenkopfs als Gefängnis. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts nutzte die Königlich-Preußische Justizverwaltung den zweigeschossigen und unterkellerten Bau lediglich zur vorübergehenden Aufnahme Verhafteter, zur Strafverbüßung im Obergeschoss diente es hingegen im Unterschied zu den Gründungsjahren nicht mehr. Allerdings wurden zur Wahrung der Ordnung drei Justizwachtmeister des Amtsgerichts Biedenkopf als Aushelfer der Gefängnisaufseher abgestellt. Teilweise wohnten sie auch in dem Gebäude.
Während des 2. Weltkrieges nutzte man das Anwesen als Gefangenenlager für polnische, belgische und französische Kriegsgefangene. Nach Kriegsende saßen im Bezirksgefängnis Mitglieder der Wehrmacht sowie deren Angehörige ein, bevor im Herbst 1948 das Gendarmerie-Kreiskommissariat Einzug hielt. Die Außenmauer war zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr existent, in 1959 schließlich wurde das komplette Anwesen abgerissen.

Landgericht Biedenkopf

Das bis 1892 als Königliches Amtsgericht genutzte Gebäude in der Hainstraße 12 diente nach dem Umzug des Gerichtes in den Neubau in der Hainstraße 72 zunächst als Staatskasse und bis 1932 als Katasteramt. Mittlerweile ist dort eine Metzgerei beheimatet.