Landgericht Frankfurt am Main

Hauptverhandlungsbeginn in einem Strafverfahren im Ermittlungskomplex „NSU 2.0“

Lesedauer:9 Minuten

A.

Durch Beschluss vom 27. Dezember 2021 hat die 17. Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 5/17 KLs - 6190 Js 216386/21 (24/21), unter Zulassung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 04. Oktober 2021 das Hauptverfahren gegen einen Angeklagten wegen des Vorwurfs der Beleidigung in 67 Fällen, versuchter Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz eröffnet. Dem Angeklagten wird hierbei unter anderem vorgeworfen, seit August 2018 unter dem Kürzel „NSU 2.0“ bundesweit Drohschreiben an zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens verschickt zu haben.

B.

Zur Durchführung der Hauptverhandlung wurden folgende Termine bestimmt, Jeweils um 09:15 Uhr, 1. Stock Gebäude C:

  • Mittwoch (nur Anklageverlesung), 16.02.2022
  • Donnerstag, 17.02.2022
  • Montag, 21.02.2022
  • Donnerstag, 24.02.2022
  • Donnerstag, 03.03.2022
  • Mittwoch, 16.03.2022
  • Donnerstag, 17.03.2022
  • Donnerstag, 24.03.2022
  • Montag, 28.03.2022
  • Donnerstag, 31.03.2022
  • Dienstag, 12.04.2022
  • Donnerstag, 14.04.2022
  • Donnerstag, 21.04.2022
  • Donnerstag, 28.04.2022
  • sowie jeweils an den folgenden Donnerstagen.

C.

Für die Medienberichterstattung im Rahmen der Hauptverhandlung, die auf Grund der Corona-Pandemie Beschränkungen unterworfen sein wird, gilt entsprechend einer Anordnung der Kammervorsitzenden Folgendes:

1. Akkreditierungsverfahren

Auf Grund des zu erwartenden Interesses der Medien an der Hauptverhandlung haben deren Vertreter ihr Teilnahmeinteresse schriftlich unter Übermittlung eines gültigen Presseausweises des Teilnahmeinteressenten oder eines Referenzschreibens eines Presseunternehmens bzw. einer Rundfunk- oder Fernsehanstalt im Sinne des Hessischen Pressegesetzes bis zum 21. Januar 2022 an das

Landgericht Frankfurt am Main
- Pressestelle Strafsachen -
Fax: 069 1367-6262
E-Mail: akkreditierung@lg-frankfurt.justiz.hessen.de

mitzuteilen. Dabei sind der vollständige Name und die Anschrift, gegebenenfalls das jeweils vertretene Medienunternehmen sowie die jeweiligen Kontaktdaten des Teilnahmeinteressenten (Telefon- und/ oder Telefaxnummer sowie eine E-Mail-Adresse) anzugeben.

Zulässige Akkreditierungsgesuche werden nach der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt. Die Durchführung des Akkreditierungsverfahrens, insbesondere die Bekanntgabe des Inhalts dieser Verfügung, wird auf die Pressesprecher für Strafsachen des Landgerichts Frankfurt am Main übertragen.

Für die akkreditierten Medienvertreter stehen im Sitzungssaal 165 des Gerichtsgebäudes C an den jeweiligen Sitzungstagen insgesamt 19 Sitzplätze auf der Medienempore bis 15 Minuten vor Sitzungsbeginn zur Verfügung, danach werden sie an weitere wartende akkreditierte Medienvertreter vergeben.

Die an der Hauptverhandlung teilnehmenden akkreditierten Medienvertreter haben während des Aufenthalts im Sitzungssaal eine medizinische Mund-Nase-Bedeckung (sogenannte OP-Maske) oder eine Maske der Schutzklasse FFP2/ KN95 (ohne Ausatemventil oder vergleichbar) zu tragen. Das gilt auch für Personen, die bereits eine oder mehrere COVID-Schutzimpfungen erhalten haben oder genesen sind.

2. Ton-, Film- und Bildaufnahmen, Interviews im Sitzungssaal

  • Ton-, Film- und Bildaufnahmen sind in den Sitzungssälen (nicht aber in den Vorräumen oder Zuwegungen) an jedem Sitzungstag nur vor Beginn und nach Ende der Verhandlung, nicht aber in den Pausen zulässig.
    Interviews oder interviewähnliche Gespräche mit den Verfahrensbeteiligten im Verhandlungssaal, den Vorräumen und Zuwegungen sind nicht zulässig.
  • Für Ton- und Film- sowie Fotoaufnahmen im Sitzungssaal ist ein Pool zu bilden. Poolführer werden eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt (ARD oder ZDF bzw. deren Regionalsender), ein privater Fernsehsender sowie eine Presse- bzw. Bildagentur sein.

    Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, die privaten Fernsehsender und die Presse- und Bildagenturen können sich bis spätestens 31. Januar 2022 auf einen Poolführer einigen und dies dem Gericht mitteilen. Sollte eine Einigung nicht zustande kommen, werden die Poolführer durch die hiermit beauftragten Pressesprecher bestimmt.

    Die Poolführer sind verpflichtet, ihre Foto-, Film- und Tonaufnahmen auf Anfrage unverzüglich anderen Fernsehsendern bzw. Medienunternehmen und freien Journalisten - gegebenenfalls unter Hinweis auf eine angeordnete Anonymisierungspflicht - zur Verfügung zu stellen. Es wird darauf hingewiesen, dass vor Beginn der Dreharbeiten eine schriftliche Foto- bzw. Filmgenehmigung bei der Kammervorsitzenden zu beantragen ist. Das hierfür notwendige Schriftstück wird von der Einsatzstelle des Landgerichts (Gerichtsgebäude B, 2. Stock, Zimmer 232) am jeweiligen Sitzungstag zur Verfügung gestellt.

3. Sonstiges

  • Das Rauchen, Filmen, Fotografieren, die Benutzung von Mobiltelefonen und die Herstellung von Tonaufnahmen während der Hauptverhandlung sind untersagt. Geräte, die zur Herstellung entsprechender Aufnahmen technisch ausgestattet sind (auch Laptops und Tablets) dürfen nicht in den Sitzungssaal mitgenommen werden und sind gegebenenfalls für die Dauer der Anwesenheit ihrer Nutzer im Gerichtsgebäude bei der Kontrollstelle zu verwahren. Das gilt nicht für akkreditierte Medienvertreter.
  • Es dürfen nur so viele Zuschauer in den Zuschauerbereich des Verhandlungssaales eingelassen werden, wie Sitzplätze zur Verfügung stehen. Der Zuhörerraum des Verhandlungssaales wird spätestens 30 Minuten vor Verhandlungsbeginn geöffnet. Die Anzahl der Sitzplätze bestimmt sich nach der vom Präsidenten des Landgerichts erlassenen Hausverfügung, die auch im Übrigen von dieser Anordnung unbeschadet bleibt.
  • Alle Zuhörer und Medienvertreter sind nur durch den jeweiligen Zuhörereingang (Konrad-Adenauer-Straße/ Vilbeler Straße) in den Sitzungssaal einzulassen. Sie haben sich auszuweisen, sind einer zentralen Einlasskontrolle zu unterziehen und auf Gegenstände zu durchsuchen, die zur Störung der Hauptverhandlung geeignet erscheinen. Beanstandete Gegenstände sind in Verwahrung zu geben. Taschen und andere Behältnisse, Funkgeräte, Foto- und Filmapparate sowie sonstige Gegenstände, die der Ton- und Bildaufnahme oder -wiedergabe dienen, sind vorbehaltlich der Regelungen zu Ziffer 3. a) zu hinterlegen. Das gilt insbesondere auch für Mobiltelefone. Zuhörern und Medienvertretern, die sich weigern, solche Gegenstände in Verwahrung zu geben, ist der Zutritt zu versagen.
  • Prozessbeteiligte erhalten Zugang über den ordentlichen Eingang zum Verhandlungssaal („Eingang für Prozessbeteiligte"). Mobiltelefone von Prozessbeteiligten sind vor dem Betreten des Sitzungssaales abzuschalten.

4. Durchführung

Die angeordneten Maßnahmen werden von den Justizwachtmeistern umgesetzt und überwacht. Erforderlichenfalls ist die Polizei um Amtshilfe zu bitten.

Gründe

  1. Die unter Ziffer 1. angeordnete Akkreditierung und die Reservierung eines Sitzplatzkontingentes für Pressevertreter tragen dem Umstand Rechnung, dass ein erhöhtes Medieninteresse auf Grund der öffentlichen Berichterstattung über das den Gegenstand des Verfahrens bildende Tatgeschehen sehr wahrscheinlich ist. Aber auch wenn aufgrund von diversen Medienanfragen und gelegentlicher Vorberichterstattung jedenfalls für den ersten Verhandlungstag mit einem erhöhten Medieninteresse zu rechnen sein dürfte, ist zu erwarten, dass die vorgenommene Reservierung von Plätzen allein für Medienvertreter ausreicht.
  2. Die weiteren Anordnungen sind nach § 176 GVG geboten.
    Bei den vorgenommenen Beschränkungen ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Prozessbeteiligten und das Interesse an einem möglichst ungestörten Ablauf der Hauptverhandlung sowie an einer möglichst ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung gegen das Gewicht eines etwaigen Eingriffs in die Pressefreiheit abzuwägen (BVerfG NJW 2014, 3013). Dabei ist von Bedeutung, dass eine Ton- und Bildberichterstattung aus dem Sitzungssaal bei medienunerfahrenen Prozessbeteiligten generell geeignet ist, die Aufmerksamkeit vom Verfahrensgegenstand abzulenken. „Eines der wesentlichen Ziele der Hauptverhandlung, wahrheitsgemäße und vollständige, forensisch brauchbare Angaben aller Aussagepersonen zu erlangen, setzt Rahmenbedingungen
    voraus, die Hemmungen und Aufgeregtheit - gerade bei im Umgang mit Medien nicht erfahrenen Personen - vermeiden helfen" 
    (BVerfG a.a.O.). Geringfügige Einschränkungen der Ton- und Bildberichterstattung wie die, nicht in den Sitzungspausen zu filmen und zu fotografieren und im Sitzungssaal, den Vorräumen und den Zuwegungen dorthin keine Interviews durchzuführen oder Interviewversuche zu unternehmen, sind deshalb zulässig. 
    Das gilt auch, wenn über den genannten allgemeinen Gesichtspunkt des die Wahrheit fördernden Verfahrensablaufs hinaus keine zusätzlichen Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls in die vom BVerfG verlangte Abwägung eingestellt werden können. Dass der Gesetzgeber den Persönlichkeitsrechten des Angeklagten und dem Interesse am ungestörten Verfahrensablauf, der durch die Vorsitzende sicherzustellen ist, ein erhebliches Gewicht beimisst, ergibt sich nicht zuletzt bereits aus § 169 Satz 2 GVG, wonach Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig sind.

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