Amtsgericht Gießen

Information zur Geschäftsentwicklung 2023

I. Einführung der elektronischen Akte

Das Amtsgericht Gießen hat im Jahr 2023 seinen Geschäftsbetrieb routiniert fortgesetzt – und daneben wichtige Schritte in Sachen Digitalisierung erfolgreich zurückgelegt.

Im September 2023 wurde die „elektronische Akte“ in der Insolvenzabteilung und im Bereich des Zivilprozesses schrittweise eingeführt. Seit November 2023 wird in beiden Bereichen in neu eingehenden Verfahren ausschließlich elektronisch gearbeitet. Im September 2024 steht ein weiterer Modernisierungsschub beim Amtsgericht Gießen an: Die „elektronische Akte“ soll dann in Familiensachen eingeführt werden.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Das Produkt der elektronischen Akte in Insolvenzsachen und in Zivilsachen ist praxistauglich, gleichwohl entwicklungsfähig. Die gründliche Einarbeitung der „Anwenderinnen und Anwender“ bleibt zentral. Zu wünschen ist und bleibt auch, dass Unterstützungsdienste bei Fragen und/oder für Verbesserungen des Produkts greifbar sind.

Die Einführung der elektronischen Akte hat an alle Bediensteten hohe Anforderungen gestellt, denn sie war während des laufenden Geschäftsbetriebs zu stemmen und hat teils jahrzehntelange Arbeitsabläufe verändert. Der jetzige Status, einerseits begonnene „Papierakten“ weiter als Papierakte zu führen, andererseits neu eingehende Sachen ausschließlich als elektronische Akte zu erfassen und zu bearbeiten, wird für einen Übergangszeitraum auch zu erhöhtem Organisationsaufwand führen.

Vor allem aber zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass es von zentraler Bedeutung ist, das gegenwärtige Produkt „elektronische Akte“ weiter zu verbessern und an der einen oder anderen Stelle „anwenderfreundlicher“ zu gestalten. Hierzu ist es nötig, Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik der Anwenderinnen und Anwender vor Ort von politischer Seite aufzunehmen, diese zu verarbeiten und mit tragfähigen und zeitnahen Lösungen zu versehen.

Ausdrücklich zu begrüßen ist daher, dass die Gerichte vor Ort in regelmäßigen Abständen über die Arbeitsabläufe in Sachen „Digitalisierung und elektronische Akte“ berichten und diese Berichte auch tatsächlich „Anklang finden“ – und die Praxis vor Ort damit das nötige „Gehör“.

Im Amtsgericht selbst bleibt die Aufgabe, die Bediensteten zu ständiger Aus- und Fortbildung zu motivieren und ihnen aufzuzeigen, was die Vorzüge der - unumkehrbaren - Digitalisierung sind. Dies wird umso besser gelingen, umso tragfähiger sich das Produkt selbst, mit dem gearbeitet wird, ausnimmt.

II. Personalentwicklung

1. Personalbestand

Die Personalsituation hat sich im Vergleich zum Vorjahr als im Wesentlichen konstant erwiesen.

Waren 2022 insgesamt 271 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Amtsgericht Gießen tätig, ist die Zahl im Jahr 2023 nahezu gleich geblieben mit 272.

Im Einzelnen stellte sich die Personalsituation im Jahr 2023 (im Vergleich zu den Vorjahren) wie folgt dar:

DienstzweigPersonen,
Stand
31.12.2021
Personen,
Stand
31.12.2022
Personen,
Stand
31.12.2023
Weibliche
Personen,
Stand
31.12.2023
Richterinnen und Richter29292919
Beamte und Beamtinnen höherer Dienst1111
Beamte und Beamtinnen gehobener Dienst 
(Rechtspfleger/innen)
38383923
Beamte, Beamtinnen und Angestellte 
(ohne Gerichtsvollzieher) im Übrigen
102107108102
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher1111106
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ausbildung75757559
Wachtmeister1010102
DienstzweigArbeitskraftanteile,
Stand
31.12.2021
Arbeitskraftanteile,
Stand
31.12.2022
Arbeitskraftanteile,
Stand
31.12.2023
Arbeitskraftanteile
(weiblich),
Stand
31.12.2023
Richterinnen und Richter27,2526,7527,2517,25
Beamte und Beamtinnen höherer Dienst1,001,001,001,00
Beamte und Beamtinnen gehobener Dienst 
(Rechtspfleger/innen)
34,6534,6334,6118,61
Beamte, Beamtinnen und Angestellte 
(ohne Gerichtsvollzieher) im Übrigen
88,0093,2193,3687,36
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher11,0011,0010,006,00
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ausbildung75,0075,0075,0059,00
Wachtmeister9,9810,0010,002,00

Wie schon für die Vorjahre festgestellt, ist das Amtsgericht Gießen Vorbild in Sachen Frauenförderung und Gleichberechtigung. Der Anteil der hier Beschäftigten an Frauen, der 2022 bei knapp 80 % lag, beträgt im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 noch immer knapp 77 %. Dies ist - nach wie vor - ein extrem hoher Wert.

Leicht verändert hat sich der Anteil an weiblichen Mitarbeiterinnen im Bereich der Ausbildung. Hier ist der Anteil von - extrem hohen - 83 % im Geschäftsjahr 2022 auf knapp 79 % in 2023 gesunken. Die Veränderung ist minimal, mag aber immerhin dokumentieren, dass die Ausbildungsangebote beim Amtsgericht Gießen für sämtliche Bewerber (unverändert) attraktiv sind.

Der Frauenanteil zum 31.12.2023 auf einen Blick:

DienstzweigPersonenArbeitskraft
Richterinnen und Richter65,52%63,3%
Beamtinnen und Beamte höherer Dienst100%%100%
Beamtinnen und Beamte gehobener Dienst58,97%53,77%
Mittlerer Dienst und Angestellte insgesamt94,44%93,57%
Davon Beamtinnen und Beamte91,3%90,26%
Davon Angestellte95,29%94,5%
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher66,66%66,66%
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ausbildung78,67%78,67%
Wachtmeisterei20%20%

2. Personalveränderungen

Die Personalsituation im richterlichen Bereich war im Geschäftsjahr 2023 von Konstanz geprägt.

Bei den am Amtsgericht Gießen eingesetzten Proberichterinnen und Proberichtern ergab sich folgendes Bild: Zum 31.12.2023 verrichteten insgesamt fünf Richterinnen und Richter auf Probe, davon drei Frauen, ihren Dienst am Amtsgericht Gießen. Der Proberichteranteil ist damit gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben.

Dabei hat das Amtsgericht Gießen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 die nachhaltig positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortschreiben können und hier zugewiesene Proberichterinnen und Proberichter erfolgreich eingearbeitet, um sie perspektivisch als Lebenszeitkräfte für eine Tätigkeit beim Amtsgericht Gießen zu gewinnen. Das Amtsgericht Gießen hat damit 2023 neuerlich unter Beweis gestellt, dass es für jüngere Richterinnen und Richter auf Probe ein äußerst attraktiver Dienststandort ist.

Erwähnt seien auch aktuelle, nicht das Geschäftsjahr 2023 betreffende, personelle Veränderungen.

Der ehemalige Präsident Meinrad Wösthoff ist mit Ablauf des 30.04.2024 in Ruhestand getreten. Bis zur Neubesetzung der Präsidentenstelle obliegt die Behördenleitung dem Vizepräsidenten Dr. Dietrich Claus Becker, der von der langjährigen Präsidialrichterin Astrid Keßler-Bechtold unterstützt wird.

Verstärkt wird die Präsidialabteilung durch eine weitere Richterin und einen weiteren Richter, denen mit einem Arbeitskraftanteil von jeweils 10 % Verwaltungsaufgaben zugewiesen sind. Hinzustoßen wird zum 01.07.2024 eine weitere aufsichtführende Richterin, die aus einer Abordnung an das Amtsgericht Gießen zurückkehrt.

Auch in der Geschäftsleitung stehen Veränderungen an. Die langjährige Geschäftsleiterin Gabriele Danne wird zum 01.01.2025 in Ruhestand treten.

3. Personalausstattung

Die personelle Ausstattung bietet im Vergleich zum Vorjahr ein etwas gemischtes Bild.

Bei der Gruppe der Angestellten und Beamtinnen/Beamten des mittleren Dienstes ist eine nennenswerte Verschärfung der Personalsituation zu bemerken. Bei einem Durchschnittswert an Belastung von 100 % lag die Belastung dort im Jahr 2022 noch bei 105,23 % und war damit gegenüber 2021 (108,60 %) sogar leicht gesunken. Diese - erfreuliche - Entwicklung hat sich 2023 leider nicht fortgesetzt. Die Belastung ist angestiegen auf - hohe - 117,04 % und lag damit sogar nicht unerheblich über dem höchsten Wert der letzten vier Geschäftsjahre, nämlich dem Wert aus 2020 mit 109,42 %.

Dabei ist die Tätigkeit der Angestellten und Beamtinnen und Beamten des mittleren Dienstes für das Funktionieren eines Gerichts von elementarer Bedeutung. Diese Berufsgruppe deckt im Wesentlichen die Tätigkeit auf den Serviceeinheiten, den „alten“ Geschäftsstellen, sowie den wichtigen Bereich der Protokollführung im Strafprozess ab. Es liegt auf der Hand, dass hohe Belastungen auf den Serviceeinheiten auch dazu führen, dass richterliche Verfügungen nicht mehr mit der gebotenen Zügigkeit abgearbeitet werden können und die unterstützende Tätigkeit für die Richterinnen und Richter wie für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger beeinträchtigt wird.

Diese hohe Belastung gilt es, wieder zügig zurückzufahren, zumal die Einführung der elektronischen Akte in Kerngebieten gerade für die Serviceeinheiten zu einer ganz erheblichen - in den Statistiken nicht hinreichend abgebildeten - Mehrbelastung geführt hat und - auch angesichts der in einem Übergangszeitraum weiter erforderlichen Fortführung der „Altverfahren“ in teilweise Papierform - führen wird.

Eine leichte Verschärfung der Personalsituation ist auch im Bereich des gehobenen Dienstes, der von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern ausgefüllt wird, zu notieren. Hier lag die Belastung im Jahr 2022 bei 106,50 %. Sie ist im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 angestiegen auf 111,84 %. Dieser Wert liegt zwar noch deutlich unter dem höchsten Belastungswert der letzten vier Geschäftsjahre, der im Jahr 2020 zu verzeichnen war (115,38 %). Auch ist zu berücksichtigen, dass der Wert noch im Jahr 2021 mit 109,39 % in diesem Bereich nur unwesentlich unter dem jetzigen Wert von 111,84 % liegt. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass der nunmehr deutlich über 110 % liegende Belastungswert hoch ist und perspektivisch zurückgefahren werden muss.

Die Tätigkeit der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger ist in zentralen Bereichen eines Amtsgerichts von herausgehobener Bedeutung, etwa in den Bereichen Zwangsversteigerung, Insolvenz, Nachlass, Grundbuch und Handelsregister. Hier sind den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern weitreichende Entscheidungsbefugnisse zugewiesen, die eine auskömmliche Personalausstattung „verdienen“ und im Zuge der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege auch zwingend voraussetzen.

Dabei sind die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger - wie der richterliche Dienst - selbstverständlich auf die Unterstützungsleistungen der Serviceeinheiten angewiesen. Ein hoher Belastungswert auf den Serviceeinheiten - wie er in 2023 zu bemerken war - wird eine schon relativ hohe Belastung im Bereich der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger weiter „zuspitzen“.

Dabei kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der nicht das abgelaufene Geschäftsjahr im engeren Sinn betrifft: Im aktuellen Geschäftsjahr 2024 werden und haben bereits einige langjährige Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger das Amtsgericht Gießen verlassen. Diese Personalabflüsse werden die Belastungslage (jedenfalls kurzfristig) weiter verschärfen.

Hier ist das Amtsgericht Gießen auf zügige Neubesetzung freiwerdender Stellen angewiesen.

Ein formell gegenläufiges Bild zu den Belastungen bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern sowie bei den Angestellten und Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes ergibt sich im richterlichen Bereich. Hier lag die Belastung im abgelaufenen Geschäftsjahr bei 94,22 %.

Zusammenfassend stellt sich die Geschäftsbelastung im Vergleich zu den Vorjahren wie folgt dar (wobei 100 % der „Sollwert“ ist):

Dienstzweig2020202120222023
Richterinnen und Richter103,37%100,07%97,99%94,22%
Beamtinnen und Beamte gehobener Dienst115,38%109,39%106,5%111,84%
Beamtinnen und Beamte mittlerer Dienst und Angestellte109,42%108,6%105,23%117,04%

4. Ausbildung

Die Ausbildung nahm beim Amtsgericht Gießen – wie in den Jahren zuvor – auch im Geschäftsjahr 2023 eine zentrale Bedeutung ein.

Die Ausbildung junger Menschen zur/zum Justizfachangestellten beim Amtsgericht Gießen sichert die Funktionsfähigkeit der Justiz und macht diese im besten Sinne zukunftsfest. Justizfachangestellte, die nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung namentlich auf den Serviceeinheiten zum Einsatz kommen, leisten unschätzbare Dienste bei der Unterstützung der Richterinnen und Richter sowie der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger.

Sie sind das Fundament dafür, dass der Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger erfüllt wird.

Die 3-jährige Ausbildung ist anspruchsvoll und wird beim Amtsgericht Gießen durch hauptamtliche Ausbilderinnen und Ausbilder durchgeführt. Hier konnte im Geschäftsjahr 2023 Konstanz verzeichnet werden: Sämtliche Ausbilderinnen und Ausbilder sind langjährig tätig. Der Berufsschulunterricht wird in erfolgreicher, seit langen Jahren bewährter Zusammenarbeit mit Lehrkräften der Max-Weber-Schule in Gießen an zwei Tagen in der Woche durchgeführt

Am Ende der Ausbildung als „Justizfachangestellte/r“ stehen junge Menschen, die in jedem Sachgebiet beim Amtsgericht Gießen, aber auch bei allen anderen Justizstandorten hessenweit einsetzbar sind, namentlich - es wurde erwähnt - auf den Serviceeinheiten der jeweiligen Sachgebiete (Strafrecht, Familienrecht, Zivilprozess, Betreuung, Registergericht, Nachlass, Grundbuch etc.) und im - anspruchsvollen - Protokoll in Strafsachen.

Angesichts der hohen Bedeutung der Ausbildung und des Amtsgerichts Gießen als Ausbildungsgericht lässt sich erfreulicherweise festhalten, dass auch im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 ein neuer Ausbildungsjahrgang ins Leben gerufen wurde, bei dem sämtliche Plätze besetzt werden konnten. Somit waren im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 beim Amtsgericht Gießen wieder drei Ausbildungsjahrgänge „in der Ausbildung“.

In das Geschäftsjahr 2023 fiel der Abschluss der Prüfungen des Aufnahmejahrgangs 2020. Dieser Jahrgang hatte die Ausbildung unter schwierigen Pandemie-Bedingungen zu bewältigen. Erfreulich ist, dass alle Auszubildende die Prüfung erfolgreich absolviert haben. Die Feierstunde für die Absolventinnen und Absolventen des Ausbildungsjahrgangs 2020 fand im Sommer 2023 in den Räumen des Amtsgerichts statt. In feierlichem Rahmen und im Beisein der Ausbildungsleiterin Ursula Moos, sämtlicher Ausbilderinnen und Ausbilder beim Amtsgericht, der Lehrkräfte der Max-Weber-Schule sowie der Mitglieder des Prüfungsausschusses wurde in feierlicher Zeremonie den erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen von der Behördenleitung das Zeugnis über das Bestehen der Prüfung zum/zur Justizfachangestellten übergeben.

Noch erfreulicher ist, dass 12 der 18 Auszubildenden dieses Aufnahmejahrgangs 2020 dem Amtsgericht Gießen als Justizfachangestellte erhalten geblieben sind und unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss ihre Tätigkeit an ihrem „Ausbildungsgericht“ aufgenommen haben - eine hervorragende und in dieser Form bislang unerreichte „Quote“.

Das Amtsgericht Gießen hat damit neuerlich unter Beweis gestellt, dass es den nötigen Nachwuchs für die hessische Justiz erfolgreich zu rekrutieren und mit hier ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen das Gericht selbst, aber auch andere Funktionsbereiche der hessischen Justiz nachhaltig zu verstärken weiß.

Das Engagement erfahrener Ausbilderinnen und Ausbilder beim Amtsgericht Gießen, die weit über die Grenzen des Justizstandorts Gießen hinaus höchste Wertschätzung genießen, hat sich - wie in den Vorjahren - bewährt.

III. Geschäftsentwicklung

1. Geschäftsanfall

Der „Geschäftsanfall“ misst, wie viele Verfahren in den jeweiligen Bereichen beim Amtsgericht Gießen eingegangen sind. Er stellt sich für das Jahr 2023 zusammengefasst - und in einem Vergleich mit den Vorjahren - wie folgt dar:

Jahreswerte
Eingangszahlen
2020202120222023Veränderung
2022/2023
Zivilsachen (inkl. Mietsachen)22652207196220353,72%
Familiensachen2823255026182232-14,74%
Strafsachen gegen Erwachsene58685889578260785,12%
Strafsachen gegen Jugendliche5224133804148,95%
Ordnungswidrigkeiten19611427109410950,09%
Grundbuchsachen17210166241584113926-12,09%
Nachlasssachen4347482647094630-1,68%
Registersachen28172907296430553,07%
Betreuungssachen Eingänge1355146313021059-18,66%
Betreuungssachen Bestand3999408540904063-0,66%
Zwangsvollstreckungssachen68156191591965019,83%
Zwangsversteigerungsverfahren83708510928,24%
Insolvenzverfahren303492517512-0,97%
Davon: Unternehmensinsolvenzen15817918624833,33%
Davon: Verbraucherinsolvenzen145313331264-20,24%
Unterbringungssachen872844823685-16,77%

Bei den Zivilsachen ist eine leichte Steigerung der eingegangenen Sachen zu verzeichnen. Die Aussagekraft dieses Wertes ist allerdings zu relativieren: Die Eingangszahlen im Jahr 2022 waren extrem niedrig. Dies zeigt einen Vergleich mit den Werten aus den Jahren 2020 und 2021, die für beide Jahre deutlich über 2.200 Verfahren lagen. Von diesen Werten ist das Geschäftsjahr 2023 mit lediglich 2.035 Verfahren deutlich entfernt.

Die Zahlen im Zivilprozess „folgen“ einem seit Jahren hessen- wie bundesweit zu beobachtenden Trend: Zivilrechtliche Verfahren gehen zurück. Abzuwarten bleibt, wie sich die amtsgerichtlichen Zahlen durch die geplante Gesetzesänderung entwickeln: Perspektivisch – es wurde bereits in der Jahrespresseerklärung für 2022 ausgeführt – sollen die Amtsgerichte nicht mehr nur für Verfahren mit einem Streitwert bis zu 5.000,00 € zuständig sein. Der Streitwert soll vielmehr auf bis zu 8.000,00 € hochgesetzt werden. Die Geschäftsentwicklung bleibt abzuwarten. In jedem Fall aber muss Sorge getragen werden, dass die Arbeitsbelastung der Amtsgerichte noch „gestemmt“ werden kann. Einer etwa eintretenden erheblichen Erhöhung der Eingangszahlen muss mit einer Erhöhung der Anzahl der Richterinnen und Richter sowie der unterstützenden Dienste (Geschäftsstellen, Rechtspfleger/innen) Rechnung getragen werden.

Im Bereich der Familiensachen ist ein deutlicher Rückgang der Eingangszahlen zu verzeichnen. Gegenüber dem Vorjahr hat die Gesamtzahl an eingegangenen Verfahren um nahezu 15 % abgenommen.

Ein Grund hierfür könnte eine zum 01.01.2023 in Kraft getretene Gesetzesänderung sein: Diese betraf „unbegleitete“ minderjährige Flüchtlinge, also minderjährige Flüchtlinge, die ohne sorgeberechtigte Eltern in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Nach Einreise ist ein Verfahren über das Ruhen der elterlichen Sorge einzuleiten, da die sorgeberechtigten Eltern sind nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und die elterliche Sorge daher nicht selbst ausüben können. Weiter ist in diesen Fällen ein Vormund zu bestellen, der die Aufgaben der Eltern - kurz gesagt - „übernimmt“. Bis Ende des Jahres 2022 mussten diese Entscheidungen durch Richterinnen und Richter getroffen werden. Der Gesetzgeber hat dies mit Beginn des Jahres 2023 geändert: Die Entscheidung ist nunmehr auf Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern übertragen. Für die Statistik bedeutet dies: Die Eingangszahlen bei den richterlichen Geschäften gehen dementsprechend zurück, während sie bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern (die in der oben wiedergegebenen Statistik nicht abgebildet sind) zunehmen.

Im Bereich der Strafrechtspflege haben die Verfahren zugenommen.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Zunahme unterschiedlich gestaltet und die Werte jeweils von unterschiedlicher Aussagekraft sind. So haben die Strafsachen gegen Jugendliche zwar um 8,95 % zugenommen. Die Gesamtzahl an Verfahren liegt mit 414 Verfahren aber noch deutlich unter dem Höchstwert der vergangenen vier Geschäftsjahre, nämlich dem Wert aus 2020 mit 522 Verfahren. Der Wert im abgelaufenen Geschäftsjahr reicht mit 414 Eingängen letztlich heran an den Wert aus 2022 (413 Verfahrenseingänge). Die hoch klingende prozentuale Erhöhung ist damit nicht geeignet, eine Entwicklung abzubilden.

Etwas anders liegt das Bild bei den Strafsachen gegen Erwachsene. Der Anstieg ist prozentual mit „nur“ 5,12 % deutlich niedriger als der soeben geschilderte Anstieg bei den Strafsachen gegen Jugendliche (8,95 %). Der Anstieg führt allerdings dazu, dass mit einer Gesamtzahl von 6.078 Verfahren ein „Vier-Jahres-Hoch“ erreicht ist. Der Wert liegt deutlich über dem bisherigen Höchstwert aus 2022 mit 5.889. Hier ist auch klar festzuhalten, dass in 2023 die 6.000-Verfahrenseingangs-Grenze erstmals in den letzten vier Jahren überschritten ist – und nicht nur knapp.

Generell lässt sich für den Bereich der Strafrechtspflege sagen, dass der Geschäftsanfall bei Gericht maßgeblich abhängig ist von der Anzahl an Verfahren, die die Staatsanwaltschaft an die Amtsgerichte „weiterleitet“. Der Geschäftsanfall bei Gericht richtet sich damit maßgeblich nach der in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaften fallenden Ermittlungs- und Anklagetätigkeit.

Bei den Betreuungssachen ist es zu einem erheblichen Rückgang an Verfahren gekommen.

Eine mögliche Ursache ist das zum 01.01.2023 in Kraft getretene neue Betreuungsgesetz. Dieses schuf mit dem sogenannten „Notvertretungsrecht für Ehegatten“ eine Regelung, die bisherige Verfahren vor dem Betreuungsgericht überflüssig macht. Die neue Regelung sieht vor, dass sich Ehegatten und Lebenspartner/innen für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten für Notfälle in Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge und damit einhergehendem Abschluss von ärztlichen Behandlungsverträgen und Krankenhausverträgen gegenseitig vertreten können. Dies ist dann möglich, wenn die Betroffenen zusammenleben, keine anderweitige Vorsorgevollmacht vorhanden ist und auch ein entgegenstehender Wille des vom Notfall betroffenen Ehegatten bzw. Lebenspartner nicht bekannt ist. Wenn beispielsweise ein Ehegatte oder Lebenspartner einen Unfall hatte oder sonst in eine gesundheitliche Notlage geriet, in der er/sie selbst handlungsunfähig war, mussten nach alter Gesetzeslage betreuungsrechtliche Eilverfahren eingeleitet werden, die unter den geschilderten Voraussetzungen nach der neuerlichen Gesetzeslage „obsolet“ sind.

Ganz erheblich gesunken ist die Anzahl der Unterbringungsverfahren, für die die Betreuungsrichterinnen und -richter zuständig sind. Der Rückgang von 823 Verfahren im Jahr 2022 auf 685 Verfahren ist mehr als nur signifikant. Ein greifbarer Grund hierfür lässt sich nicht benennen. Auffällig ist aber, dass mit 685 eingegangenen Verfahren ein - deutlicher - Tiefstand bei Vergleich der letzten vier Geschäftsjahre erreicht ist. In sämtlichen Geschäftsjahren 2020 bis 2023 lagen die Zahlen immer deutlich über 800 Verfahren pro Jahr.

Auffällig sind die Zahlen auf dem Gebiet der Insolvenzen.

Einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von 33,33 %, ein extrem hoher Wert, steht mit einem Rückgang von 20,24 % ein Einbruch der Verfahren bei den Verbraucherinsolvenzen gegenüber. Im Bereich der Unternehmensinsolvenzen mag sich der Wert dadurch erklären lassen, dass in Pandemiezeiten die Insolvenzantragspflicht zeitweilig ausgesetzt war, das eine oder andere Unternehmen sich mit Forderungen auf Rückzahlung „unberechtigter“ Corona-Sofort-Hilfen konfrontiert sieht, vielleicht aber auch schlicht dadurch, dass sich Auswirkungen der Pandemie nunmehr tatsächlich zeigen und in den letzten Jahren immer wieder geäußerte Befürchtungen, die Pandemie führe zu Geschäftseinbrüchen, nunmehr in Zahlen ihren Niederschlag finden. Bei den Verbraucherinsolvenzen ist der erhebliche Rückgang der Verfahren indes nicht ohne weiteres zu erklären: Der Rückgang dürfte etwas relativiert werden durch einen Vergleich mit den Vorjahren: Mit insgesamt 264 Verbraucherinsolvenzverfahren im Jahr 2023 liegt der Wert zwar deutlich über den Jahreseingängen in 2021 (313) und 2022 (331), nähert sich andererseits aber wiederum dem „Vor-Pandemie-Wert“ aus 2020 mit 145 Verfahren an. Hier bleibt die Entwicklung abzuwarten.

Gesunken sind auch die Eingangszahlen in Grundbuchsachen.

Dies betrifft sämtliche Verfahren, in denen Eintragungen im Grundbuch zu erfolgen haben. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass der gesunkene Wert eine Entwicklung der Jahre seit 2020 fortschreibt. Lag die Gesamtzahl an Grundbuchsachen im Jahr 2020 noch bei 17.210, sank die Zahl in 2021 auf 16.624 Verfahren und in 2022 noch weiter auf 15.841 Verfahren. Mit nunmehr 13.926 Verfahren ist ein neuer Vier-Jahres-Tiefstand erreicht. Dies mag damit zusammenhängen, dass Grundstückserwerbsgeschäfte insgesamt weiter abgenommen zu haben scheinen, was jedenfalls mit der Finanzierungslage zusammenhängen könnte: Die Zinsen für Baufinanzierung sind jedenfalls in den letzten Jahren wieder spürbar angestiegen.

Die Zahlen bei Nachlasssachen und Handelsregistersachen bewegen sich im Bereich üblicher Schwankungen.

Die Zwangsvollstreckungssachen (das ist die Vollstreckung gegen Schuldner/innen in bewegliches Vermögen und Forderungen, insbesondere Kontenpfändung) wie auch die Zwangsversteigerungssachen (das ist die Vollstreckung gegen Schuldner/innen in Grundstücke) haben dagegen beide zugenommen. Die Zunahme in den Zwangsvollstreckungssachen stellt sich mit 9,83 % als deutlich dar. In den Zwangsversteigerungssachen liegt die Zunahme an Verfahren sogar bei 28,24 % und muss damit als extrem auffällig bezeichnet werden. Eine naheliegende Erklärung wäre, dass steigende Zinsen und zunehmende Teuerung die Finanzierung von Grundstücken schwieriger machen. Dies ist allerdings nur eine mögliche Erklärung. Vorsicht ist in jedem Fall geboten, denn mag die Zahl von 109 Zwangsversteigerungsverfahren auch ein Vier-Jahres-Hoch sein: Als absolute Zahl liegt sie immer noch in einem „unauffälligen“ Bereich.

2. Verfahrensdauer

Die Verfahrensdauer im richterlichen Bereich misst die Zeit zwischen Eingang des Verfahrens bei Gericht und seiner richterlichen Erledigung.

Die Verfahrensdauer war beim Amtsgericht Gießen auch im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 in allen richterlichen Geschäftsbereichen erfreulich kurz.

Sie beträgt im Durchschnitt für die einzelnen Sachgebiete in Monaten:

VerfahrensartVerfahrens-Dauer
2019
Verfahrens-Dauer
2020
Verfahrens-Dauer
2021
Verfahrens-Dauer
2022
Verfahrens-Dauer
2023
Zivilverfahren5,866,16,27
Strafrichtersachen6,88,47,48,37,5
Schöffengericht Erwachsene9,710,37,911,47,6
Jugendrichtersachen6,87,78,287
Jugendschöffengericht4,37,34,64,24,3
Bußgeldsachen gegen Erwachsene3,64,44,23,84
Familiensachen6,35,56,46,36,3

Auffällig ist die kurze Verfahrensdauer im Bereich des Strafrechts.

Dabei ist vor allem in den Schöffengerichtsverfahren gegen Erwachsene die Verfahrensdauer auf 7,6 Monate gesunken und bewegt sich damit auf dem niedrigsten Wert seit fünf Jahren. Die bisher niedrigste Verfahrensdauer lag im Jahr 2021 bei 7,9 Monaten, während Werte zwischen 9,7 Monaten in 2019 und 11,4 Monaten in 2022 die bisherige Spannbreite abbildeten.

Dies ist vor allem deshalb bemerkbar, weil bei den Erwachsenen-Schöffenverfahren Verfahren gegen mehrere Angeklagte zunehmen und außerdem eine stetige Zunahme der Komplexität zu beobachten ist.

Im Bereich der Vermögensdelikte sind Anklageschriften, die eine Vielzahl von Einzeltaten im zweistelligen Bereich und teils auch bis in den dreistelligen Bereich hinein enthalten und einer verlässlichen Klärung zuzuführen sind, keine Seltenheit mehr. Auch Sexualstrafverfahren vor dem Schöffengericht weisen zunehmend Komplexität auf und erfordern in der Regel eine Anzahl an Hauptverhandlungsterminen, die den Normalfall schöffengerichtlicher Verfahren oftmals „sprengt“.

Nicht zuletzt sind die Erwachsenenschöffengerichte, von denen am Amtsgericht Gießen zwei eingerichtet sind, im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 mit einer Vielzahl an Haftsachen beschäftigt gewesen. Diese sind aus guten, verfassungsrechtlichen Gründen vorrangig und mit besonderer Eile zu behandeln. Es liegt auf der Hand, dass dies zulasten der Verfahrensdauer anderer schöffengerichtlicher Verfahren gehen kann und bei der Vielzahl der hier verhandelten Haftsachen auch tatsächlich geht.

Umso mehr hervorzuheben ist, dass trotz dieser zunehmenden Anforderungen an die Erwachsenenschöffenrichterinnen und -richter die Verfahrensdauer deutlich reduziert wurde. Insbesondere ist aber hervorzuheben, dass auch im Geschäftsjahr 2023 - wie in den Jahren zuvor - nicht ein einziger Haftbefehl in einer der zahlreichen schöffengerichtlichen Haftsachen, die beim Amtsgericht Gießen anhängig waren, durch das Oberlandesgericht aufgehoben wurde. In sämtlichen Haftsachen haben die Schöffenrichterinnen und -richter beim Amtsgericht Gießen dem Beschleunigungsgebot Genüge getan.

Neben dem Erwachsenenschöffenbereich ist auch der Jugendschöffenbereich in besonderem Maße zu erwähnen.

Hier haben die Kolleginnen und Kollegen - beim Amtsgericht Gießen sind zwei Jugendschöffengerichte eingerichtet - auch im Geschäftsjahr 2023 die extrem niedrige Verfahrensdauer von bislang 4,2 Monaten aus 2022 mit nunmehr 4,3 Monaten gehalten. Sie haben damit den positiven Trend extrem niedriger Verfahrensdauer bestätigt. In einem Fünf-Jahres-Vergleich liegen die Jugendschöffengerichte mit einer Verfahrensdauer im Bereich von 4,2 bis 4,6 Monaten, nachdem einzig im Geschäftsjahr 2020 mit 7,3 Monaten ein kurzfristiges Hoch zu verzeichnen war, welches sich als „Ausreißer nach oben“ darstellt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Verfahren vor dem Jugendschöffengericht in den letzten Jahren an Komplexität deutlich zugenommen haben. Insbesondere Jugendschutzsachen beschäftigen Jugendschöffengerichte zunehmend. Erfasst davon sind namentlich Verfahren, in denen Erwachsene angeklagt sind wegen des Tatvorwurfs von Sexualstraftaten gegen Kinder oder Jugendliche. Diese Verfahren weisen - dies muss nicht weiter vertieft werden - hohe Komplexität auf und machen im Regelfall mehrere Verhandlungstage notwendig, um zu einer verlässlichen Entscheidungsgrundlage zu gelangen.

Neben dem schöffengerichtlichen Bereich ist auch für den Strafrichterbereich, in dem die Kolleginnen und Kollegen als Einzelrichter entscheiden, zu bemerken, dass die Verfahrensdauern erfreulich kurz sind. Dies ist bemerkenswert angesichts der zuvor geschilderten Zunahme der Geschäfte in diesen Bereichen.

Bei den Zivilverfahren hat die Verfahrensdauer im Durchschnitt zwar etwas zugenommen, liegt mit sieben Monaten allerdings immer noch in einem sehr niedrigen Bereich.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich im Bereich der Familiensachen die extrem niedrigen Verfahrensdauern der letzten Jahre fortgesetzt haben. Mit nunmehr 6,3 Monaten liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer in Familiensachen im sehr niedrigen Bereich der Vorjahre.

IV. Zusammenfassung und Ausblick

Das Amtsgericht Gießen hat im abgelaufenen Geschäftsjahr seinen Geschäftsbetrieb routiniert fortgesetzt.

Die statistischen Daten belegen ein in jeder Hinsicht funktionstüchtiges, leistungsstarkes Amtsgericht mit kurzen Verfahrensdauern in allen Sachgebieten.

Damit dies so bleibt, ist die Gewinnung tatkräftigen Nachwuchses für die Justiz und insbesondere für den Justizstandort Gießen weiter von zentraler Bedeutung. Wie alle Funktionseinheiten innerhalb der hessischen Justiz ist das Amtsgericht Gießen darauf angewiesen, leistungsbereiten und leistungsstarken jungen Menschen ein überzeugendes Angebot für eine attraktive Tätigkeit mit hoher gesamtgesellschaftlicher Verantwortung zu unterbreiten.

Bezahlung, Arbeitszeit, Familienfreundlichkeit und gutes „Betriebsklima“ sind und bleiben dabei die maßgeblichen Faktoren. Und sicher kann auch die „Digitalisierung“ der Arbeitsprozesse und dabei eine „elektronische Akte“ die Attraktivität und Leistungsfähigkeit der Justiz fördern.

Aber: „Digitalisierung“ ist nicht Selbstzweck - und darf es nicht sein. Sie hat ausschließlich dienende Funktion und muss dafür sorgen, dass sie die Situation sowohl für die Rechtsschutzsuchenden wie für die bei Gericht Tätigen verbessert. Nur wenn die Digitalisierung zu dem Ergebnis führt, dass sie die Justiz als Arbeitgeber attraktiver macht und gleichzeitig für Bürgerinnen und Bürger zu „besseren“ Ergebnissen führt, wird sie sie Erfolg haben.

Dabei ist und bleibt wichtig, einerseits die Grenzen der Digitalisierung zu betonen, andererseits ihre Unumkehrbarkeit als Prozess anzuerkennen. Digitalisierung wird niemals das persönliche Gespräch, die mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage, auch das Streitgespräch, den persönlichen Eindruck in einer Verhandlung, den kollegialen Austausch und niemals das offene Wort ersetzen. Digitalisierung wird aber dazu führen können, dass insgesamt höhere Flexibilität, „kürzere Wege“ für Rechtsschutzsuchende und Anwenderinnen und Anwender und im besten Fall flexibleres Arbeiten möglich ist.

Dazu bedarf es der angemessenen infrastrukturellen und technischen Ausstattung und des professionellen „Supports“. Es bedarf weiter des unbedingten politischen Willens, die vorhandenen Produkte weiter zu verbessern und Verbesserungen im Sinne eines lernenden Systems dauerhaft und „laufend“ zu implementieren. Verbesserung der digitalen Arbeitsprozesse bleibt Daueraufgabe. Dem muss sich die Justiz stellen.

Denn bei allem bleibt festzuhalten: Die Digitalisierung ist nur Hilfsmittel, den Rechtsstaat zukunftsfest zu machen. Aufgabe der Gerichte bleibt unverändert, dem Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger tagtäglich gerecht zu werden und die Funktionstüchtigkeit der Justiz tagein, tagaus erfolgreich unter Beweis zu stellen.

Dabei mag man mit elektronischen Akten arbeiten. Vor allem aber bedarf es Menschen, die den Rechtsstaat „vor Ort“ mit Überzeugung und Ethos leben. Von diesen Menschen lebte auch im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 das Amtsgericht Gießen.

Allen Bediensteten am Amtsgericht Gießen und den Personalvertretungsgremien gilt mein aufrichtiger Dank - für nichts weniger als ihren steten, unermüdlichen Einsatz für den Rechtsstaat im Geschäftsjahr 2023.

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