Nr. 05/2022
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass das Verlassen eines Klassenzimmers durch die Klassenlehrerin für mehrere Minuten keine vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung darstellt (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 13.01.2021, 29 C 1632/20 (21)).
Im dem entschiedenen Fall begehrte der durch seine Eltern vertretene zehnjährige Kläger Schmerzensgeld von der Trägerin der von ihm besuchten Schule. Klageanlass war ein Vorfall, bei dem er von mindestens einem Mitschüler der gemeinsam besuchten zweiten Klasse geschlagen und getreten wurde, während die Klassenlehrerin bei einem Wechsel des Klassenraums durch die Schulklasse mehrere Minuten nicht zugegen war. Der Kläger trug von der Auseinandersetzung ein stumpfes Bauchtrauma und multiple Prellungen davon. Hierin läge, so der Kläger, eine vorsätzliche Verletzung der Aufsichts-, Fürsorge- und Treuepflicht der Klassenlehrerin, die die beklagte Schulträgerin zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet.
Ohne Erfolg. Das Gericht sah es bereits als äußerst zweifelhaft, ob das Verlassen des Klassenzimmers durch die Klassenlehrerin für mehrere Minuten als Aufsichtspflichtverletzung im Sinne des Gesetzes zu bewerten sei. So sei es bei Grundschulkindern auch schon der ersten oder zweiten Klasse nicht angezeigt, anlasslos eine durchgängige Überwachung durch ständigen Sichtkontakt gleich Kindergartenkindern sicherzustellen. Unabhängig davon vermochte das Gericht auch keine, für die direkte Haftung der Schulträgerin nach §§ 104, 105 SGB VII erforderliche, zurechenbare vorsätzliche Handlung der Klassenlehrerin zu erkennen. Diese habe mangels anderweitiger Anhaltspunkte darauf vertrauen dürfen, dass ein Verlassen des Klassenraumes auch für mehrere Minuten unter klarer Anweisung ohne Zwischenfälle möglich ist. Auch der Umstand, dass sie im Nachhinein den Unterricht fortgesetzt habe, lasse nicht auf einen (bedingten) Vorsatz bezüglich des Schadensereignisses/-erfolges schließen.