Die Klägerin hatte sich im März, April und November 2021 gegen das SARS-CoV-2-Virus impfen lassen. Das Vakzin hatte der beklagte Impfstoffhersteller entwickelt. Der Impfstoff war nach einer Prüfung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Dezember 2020 von der Europäischen Kommission bedingt zugelassen worden.
In dem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main behauptete die Klägerin, sie habe in den Wochen unmittelbar nach der ersten Impfung starke Migräneattacken gehabt. Infolge der Verabreichung des Vakzins leide sie bis heute an einer akuten Herzerkrankung, an Konzentrationsstörungen und Leistungseinbußen. Die Klägerin verlangte von dem Impfstoffhersteller Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 150.000 Euro.
Mit Urteil vom heutigen Tage hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. „Ein Anspruch der Klägerin scheitert bereits daran, dass der Impfstoff kein unvertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist“, erklärten die Richterinnen und Richter.
Da bei der ersten Zulassung des Vakzins die Abwägung von Nutzen und Risiko positiv ausgefallen sei, könne sich eine Haftung nach der einschlägigen Regelung des § 84 Arzneimittelgesetz nur auf schädliche Wirkungen beziehen, die nach der Zulassung entdeckt worden seien. Derartige negative Risiken seien nachträglich jedoch nicht bekannt geworden. „Die Sicherheit des bei der Klägerin verabreichten Impfstoffes wurde zuletzt Ende August 2023 im Rahmen einer Anpassung an eine neue Virus-Variante durch die EMA bestätigt. Der angepasste Impfstoff wurde mit Wirkung vom 1.9.2023 von der Europäischen Kommission wiederum zugelassen. Damit wurde bindend festgestellt, dass das Vakzin kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist“, erklärte die Kammer in ihrem Urteil. Und weiter: „Schädliche Wirkungen müssen zwar nicht bewiesen werden. Bloße Spekulationen genügen aber nicht.“
Außerdem müsse der Geschädigte bei einer Haftung nach dem Arzneimittelgesetz im Einzelnen darlegen, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Arzneimittelanwendung und dem Schaden bestehe. Das habe die Klägerin nicht ausreichend getan. Insbesondere habe sie nicht belegt, dass sie vor der ersten Impfung noch nicht an den behaupteten Beschwerden gelitten habe. „Aussagekräftige Krankenunterlagen liegen nicht vor. Untersuchungsberichte zu dem gesundheitlichen Zustand der Klägerin vor der Impfung fehlen gänzlich“, stellten die Richterinnen und Richter fest.
Das Urteil (Aktenzeichen: 2-12 O 264/22) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar sein.
§ 84 Arzneimittelgesetz lautet auszugsweise:
(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder (…), ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. (…)
(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. (…)
(3) (…)