Die Parteien eines Schiedsverfahrens können sich darauf einigen, dass die Übersetzung etwa von Zeugenaussagen auch durch nicht formal qualifizierte Personen erfolgt, die darüber hinaus im Lager einer der Parteien des Schiedsverfahrens stehen können. Das Schiedsgericht hat bei der Ausgestaltung des Verfahrens einen ebenso großen Spielraum wie die Parteien. Haben die Parteien keine konkreten Vereinbarungen getroffen, verstößt es damit nicht gegen den ordre public, wenn ein Schiedsgericht eine Zeugenaussage von einer nicht allgemein beeidigten Person aus dem Lager der Antragstellerin vornehmen lässt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit einer heute veröffentlichten Entscheidung einen Schiedsspruch über rund 830.000 € für vollstreckbar erklärt.
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit eines in Frankfurt am Main erlassenen Schiedsspruchs. Die Antragstellerin ist eine kasachische Gesellschaft. Sie besitzt ein Einkaufszentrum in Almaty (Kasachstan). Die Antragsgegnerin mit Sitz in Deutschland ist international u.a. im Bereich Entwicklung, Planung und Bau von Großobjekten tätig. Die Parteien unterzeichneten einen Vertrag über die Planung, Berechnung und Lieferung einer Kuppel und dreier Dächer für das Einkaufszentrum. Sie trafen zudem eine Schiedsvereinbarung. Es kam zu einer Vielzahl von Nachtragsvereinbarungen und der Verschiebung von Lieferterminen. Schließlich trat die Antragstellerin von den Verträgen zurück und forderte von der Antragsgegnerin die Zahlung eines ihrer Ansicht nach vergleichsweise vereinbarten Erstattungsanspruchs.
An dem von der Antragstellerin eingeleiteten Schiedsverfahren beteiligte sich die Antragsgegner mit Ausnahme der Einreichung von Fristverlängerungsgesuchen und einer E-Mail nicht. Das Schiedsgericht vernahm eine russischsprachige Zeugin, deren Aussage von im Lager der Antragstellerin stehenden Personen in die englische Verfahrenssprache übersetzt wurde und verurteilte die Antragsgegnerin schließlich zur Zahlung von insgesamt rund 830.000 €.
Auf Antrag der Antragstellerin hat das OLG nunmehr den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Es lägen keine Versagungs- oder Aufhebungsgründe vor, stellte das OLG fest. Insbesondere verstoße die Übersetzung der Zeugenaussage durch nicht beeidigte Personen aus dem Lager einer der Parteien nicht gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit. Das Schiedsgericht habe vielmehr seine Verpflichtung erfüllt, die „Gleichstellung der Parteien durch eine objektive, faire Verhandlungsführung, durch unvoreingenommene Bereitschaft zur Verwertung und Bewertung des gegenseitigen Vorbringens [...] und durch korrekte Erfüllung seiner sonstigen prozessualen Obliegenheiten zu wahren“. Die Antragsgegnerin könne Verfahrensfehler hinsichtlich der Beweisaufnahme zwar auch rügen, obwohl sie an ihr „- warum auch immer - nicht teilgenommen hat“. Es sei aber verfahrensfehlerfrei, dass die Aussage der russischsprachigen Zeugen nicht von einem vereidigten Dolmetscher übersetzt worden sei. Die Parteien eines Schiedsverfahrens seien im Grundsatz frei, welche Anforderungen sie an eine ggf. erforderliche Übersetzung von Zeugenaussagen stellen wollen. Sie könnten sowohl vereinbaren, dass Übersetzungen durch Personen erfolgen, die über keine entsprechende formale Qualifikation verfügen als auch, dass die übersetzende Person im Lager einer der Parteien des Schiedsverfahrens steht.
Für das Schiedsgericht sei der Spielraum für die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens grundsätzlich genauso groß wie für die Parteien. Fehle - wie hier - eine Vereinbarung der Parteien zur Frage der Übersetzung fremdsprachiger Zeugenaussagen, verstoße es daher nicht gegen den verfahrensrechtlichen ordre public, wenn das Schiedsgericht die Aussage einer Zeugin nicht von einem vereidigten Dolmetscher in die Verfahrenssprache übersetzen lassen, sondern sich mit der Übersetzung durch eine nicht beeidigte Person begnüge, die zudem im Lager eines der Parteien des Schiedsverfahrens stehe.
Durch diese Verfahrensweise habe sich das Schiedsgericht auch in Ermangelung einer neutralen Person, die der russischen Sprache mächtig gewesen wäre, nicht der Antragstellerin „ausgeliefert“. Ein Schiedsgericht könne vielmehr ebenso wie ein staatliches Gericht in der Regel - mit Ausnahme gängiger Fremdsprachen - die Übersetzung durch den Dolmetscher nicht überprüfen. Dass eine falsche oder unzureichende Übersetzung vorliege, behaupte die Antragsgegnerin im Übrigen nicht.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.7.2022, Az. 26 Sch 19/21
Die Entscheidung ist in Kürze unter www.rv.hessenrecht.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar.