Nr. 33/2023
An der Sitzung nehmen neben dem mit drei Richtern besetzten Senat die Angeklagte mit ihrem Verteidiger sowie eine Vertreterin des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof teil. Nachdem der Vorsitzende des Senats die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten sowie die Identität der Angeklagten festgestellt hatte, verlas die Vertreterin des Generalsbundesanwalts beim BGH den Anklagesatz aus der Anklageschrift vom 29.4.2022.
Danach wird der Angeklagten zur Last gelegt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben, gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) verstoßen und ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzt zu haben.
Der Angeklagten wird vorgeworfen, im Frühjahr 2016 gemeinsam mit ihren beiden, 2012 und 2013 geborenen Söhnen nach Syrien gereist zu sein und sich dort der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ („IS“) angeschlossen zu haben. Beim „IS“ habe sie den ihr nach islamischen Ritus angetrauten Ahmed D. wiedergetroffen, der bereits im Herbst 2014 nach Syrien gereist und Mitglied des „IS“ geworden sein soll. Sodann soll die Angeklagte dem Ahmed D. den Haushalt geführt und es diesem damit ermöglicht haben, als Kämpfer des „IS“ tätig zu sein. Darüber hinaus soll die Angeklagte einen Kurs der Glaubenslehre („Aqida“) des „IS“ besucht, an einer Informationsveranstaltung des „IS“-Frauenbataillons „Katiba Nusaiba“ teilgenommen und nach den Vorgaben des „IS“ nahezu täglich selbst hergestellte Kuchen und Desserts in einem Supermarkt und anderen Geschäften verkauft haben. Nachdem Ahmed D. am 10.5.2017 bei einem Bombenangriff getötet worden sei und nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2017 soll die Angeklagte einen weiteren Kämpfer des „IS“ nach islamischem Ritus geheiratet und auch diesem den Haushalt geführt haben. Zudem habe sie Snacks, Getränke und Desserts auf vom „IS“ betriebenen Märkten verkauft.
Der Angeklagten wird weiter zur Last gelegt, im März 2017 gemeinsam mit Ahmed D. und weiteren Personen den Transfer eines Betrages von 27.220 Euro von Deutschland nach Syrien organisiert zu haben, was den Zwecken des „IS“ gedient haben soll.
Gegenstand der Anklage ist auch die Verletzung der Fürsorgepflicht der Angeklagten gegenüber ihren Söhnen, weil sie diese in Kenntnis des dort herrschenden Bürgerkrieges nach Syrien gebracht habe. Die Kinder seien deshalb den mit einem Krieg einhergehenden Gefahren ausgesetzt gewesen, insbesondere Bombardierungen. Die Tötung ihres Vaters bei einem Bombenangriff am 10.5.2017 hätten die Kinder unmittelbar miterlebt und seien nur durch Zufall unverletzt geblieben.
Die Angeklagte war Ende des Jahres 2018 von kurdischen Milizen in Gewahrsam genommen und sodann in das von der autonomen kurdischen Selbstverwaltung geführte Flüchtlingslager Al Hawl nahe der syrisch-irakischen Grenze in Nordsyrien gebracht worden. Am 23.11.2019 wurde sie mit ihren Kindern bei einer vom Auswärtigen Amt organisierten und koordinierten Rückholaktion nach Deutschland zurückgebracht. Die Angeklagte befindet sich nicht in Untersuchungshaft.
Nach der Verlesung der Anklageschrift belehrte der Vorsitzende des Senats die Angeklagte über ihre Rechte. Sodann begann die Angeklagte, sich umfassend zu ihrer Person und zu den ihr zur Last gelegten Vorwürfen einzulassen. Die Sitzung ist derzeit unterbrochen und wird nach der Mittagspause mit der Einlassung fortgesetzt.
Die Hauptverhandlung soll am 31.5.2023, am 2.6.2023, am 7.6.2023, am 12.6.2023, am 14.6.2023, am 19.6.2023, am 28.6.2023, am 12.7.2023, am 14.7.2023 und am 17.7.2023 jeweils um 10 Uhr fortgesetzt werden. Alle Termine finden im Saal II des Gerichtsgebäudes E, Hammelsgasse 1, Frankfurt am Main, statt.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Az. 5-2 StE 7/22 - 7 - 2/22