Nr. 50/2024
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung der Berufung des Sängers einer bekannten Rockband gegen die beklagte Herausgeberin einer Tageszeitung teilweise stattgegeben. In Bezug auf eine der beiden im Bericht erwähnten Frauen werde zu Unrecht der Verdacht erhoben, dass er sexuelle Handlungen ohne ihre Einwilligung vorgenommen habe. Dies muss die Beklagte gemäß heutigem Urteil unterlassen. Hinsichtlich der anderen Betroffenen werde dagegen dieser Verdacht durch die Beklagte nicht erweckt.
Das Landgericht hatte den auf Unterlassung gerichteten Antrag, in einem im Juni 2023 erschienenen Bericht den Verdacht zu erwecken, der Kläger habe an zwei Frauen ohne deren Zustimmung sexuelle Handlungen vorgenommen, im Eilverfahren zurückgewiesen. Seine hiergegen eingelegte Berufung hatte teilweise Erfolg. Zu ermitteln sei grundsätzlich der zutreffende Sinn der Berichterstattung; dabei gehe es um das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, stellte der für Pressesachen zuständige 16. Zivilsenat zunächst heraus. Maßgeblich seien dabei hier insbesondere die Textpassagen, die die Erlebnisse der beiden Frauen schilderten.
Daraus folge hinsichtlich der einen der beiden betroffenen Frauen, dass von der Beklagten unberechtigt ein Verdacht ohne hinreichende Tatsachengrundlage geäußert werde: Mit den teilweise in direkter, teilweise in indirekter Rede wiedergegebenen Schilderungen der einen Betroffenen werde der Verdacht erweckt, der Kläger habe ohne Zustimmung sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen. Der Betroffenen sei dem Bericht nach zwar bewusst gewesen, dass „alles eine sexuelle Komponente“ habe. Sie sei aber davon ausgegangen, dass „niemand etwas machen werde, was sie nicht wolle“. Ihre Schilderungen verstehe der Leser dahingehend, dass der Kläger möglicherweise unter Ausnutzung ihrer Alkoholisierung sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen habe. Durch die Einbettung der Angaben der Betroffenen in den eigenen Bericht der Beklagten erscheine der Verdacht auch als eigener Verdacht der Beklagten. Für diesen Verdacht fehle es hier jedoch an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, so dass die Verdachtsberichterstattung unzulässig sei. Zu beachten sei dabei, dass die Verdachtsmomente umso stichhaltiger sein müssten, je schwerer der Vorwurf sei. Insbesondere die eigene eidesstattliche Versicherung der Betroffenen ließe wegen erheblicher Erinnerungslücken nicht sicher darauf schließen, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Einwilligung begonnen habe. Sie ließe vielmehr die Möglichkeit, dass sie den sexuellen Handlungen infolge starker Alkoholisierung nicht mehr habe zustimmen können, ebenso zu, wie die Möglichkeit, dass sie bei Beginn der sexuellen Handlungen aufgrund des Alkohols enthemmt, aber noch entscheidungsfähig gewesen sei.
Soweit er auch gegenüber der zweiten in dem Bericht erwähnten Frau einen Unterlassungsanspruch geltend mache, sei dieser dagegen nicht begründet. Insoweit erwecke die Beklagte in ihrem Bericht bereits nicht den Verdacht der Vornahme sexueller Handlungen gegen den Willen der Betroffenen. Die Betroffene schildere in dem Bericht, dass ihr bekannt gewesen sei, dass jemand gesucht worden sei, der „eine Nacht mit (dem Kläger) verbringen würde“. Die Betroffene habe dann ausgeführt, dass sie Schmerzen gehabt habe und es ihr nicht leichtgefallen sei, mit dem Kläger zu schlafen. Zitiert werde aber auch die Aussage: „Ich will nicht sagen, dass das eine Vergewaltigung war, weil ich ja zugestimmt habe...“ Daraus schließe ein durchschnittlicher Leser auf ein Einverständnis, auch wenn die Betroffene ihren Angaben nach nicht „glücklich darüber“ gewesen sei, was passiert sei. Auch aus dem Gesamtkontext ergebe sich nicht, dass der Kläger sexuelle Handlungen ohne ihre Zustimmung vorgenommen habe. Dafür genüge insbesondere nicht der Bezug auf eine Passage des Berichts, wonach zahlreiche Frauen „teils schwere Vorwürfe“ gegen den Kläger erheben würden.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.9.2024, Az. 16 U 122/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 6.9.2023, Az. 2-03 O 306/23)