Nr. 42/2023
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung bestätigt, dass die Beklagte keine EEG-Umlage für die von ihr betriebene Stromerzeugungsanlage trotz Weiterverteilung an zwei Nutzer zahlen muss. Sie könne sich jedenfalls auf ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 104 Abs. 4 EEG 2017) berufen.
Die Klägerin begehrt als Übertragungsnetzbetreiberin die Zahlung einer EEG-Umlage für eine von der Beklagten betriebene Stromerzeugungsanlage auf dem Campus Langen. Die Beklagte ist eine 100 %-ige Tochter der Deutschen Flugsicherung und betreibt für diese und eine gleichfalls auf dem Campus angesiedelte Nutzerin (hier: die Streitverkündeten) eine Stromerzeugungsanlage, die aus mehreren Turbinen und Netzersatzanlagen besteht.
Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte zur Zahlung einer EEG-Umlage verpflichtet sei, weil der von ihr in der Stromerzeugungsanlage hergestellte Strom an die Streitverkündeten weiter geliefert werde. Die Beklagte macht geltend, dass die Streitverkündeten aufgrund geschlossener Medienverträge eine vollständige Kostentragung und Übernahme des wirtschaftlichen Risikos entsprechend ihren bei Abschluss der Verträge mitgeteilten und unveränderten Strombedarfen übernommen hätten und daher eigene Betreiber der Anlage seien.
Das Landgericht Darmstadt hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin blieb auch vor dem OLG ohne Erfolg. Dabei hat das OLG offengelassen, ob die Streitverkündeten eigene Betreiber einer Stromerzeugungsanlage seien (§ 61a EEG 2017). Jedenfalls könnten sie sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen (§ 104 Abs. 4 EEG 2017). Der Gesetzgeber habe hierbei wegen Unklarheiten der rechtlichen Zuordnung der Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, die teilweise oder allein der Eigenversorgung dienten, eine Amnestieregelung geschaffen. Diese fingiere eine Betreiberstellung bei mehreren Betreibern einer Anlage. Die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Betreiberstellung lägen hier vor. Dies folge insbesondere daraus, dass die räumlich geschlossene Anlage ausschließlich zum Zweck einer ausfallsicheren Versorgung der beiden Behörden konzipiert gewesen sei und eine Weiterleitung erzeugter Strommengen ebenso wie der Zukauf von Strommengen aus dem öffentlichen Leitungsnetz bei Betrieb der Stromerzeugungsanlage vollständig marginal sei. Berücksichtigt worden sei auch die vollständige Übernahme des Kostenrisikos und des wirtschaftlichen Risikos sowie der Bestimmung der Fahrweise der Anlage.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, über die der
BGH zu entscheiden hätte, kann die Zulassung der Revision begehrt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 9.6.2023, Az. 24 U 36/22
(vorausgehend LG Darmstadt, Urteil vom 1.12.2021, Az. 9 O 18/21)
Die Entscheidung ist in Kürze unter www.rv.hessenrecht.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar.
Erläuterungen:
§ 104 Abs. 4 EEG 2017
§ 104[1] Weitere Übergangsbestimmungen
(1) ...
(2) ...
(3) ...
(4) Ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen kann für Strom, den es in einer Stromerzeugungsanlage erzeugt und vor dem 1. August 2014 an einen Letztverbraucher geliefert hat, die Erfüllung des Anspruchs eines Übertragungsnetzbetreibers auf Abnahme und Vergütung von Strom oder die Erfüllung des Anspruchs auf Zahlung der EEG-Umlage nach den vor dem 1. August 2014 geltenden Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verweigern, soweit
- der Anspruch aufgrund der Fiktion nach Satz 2 nicht entstanden wäre und
- die Angaben nach § 74 Absatz 1 Satz 1 und § 74a Absatz 1 bis zum 31. Dezember 2017 mitgeteilt worden sind.
Ausschließlich zur Bestimmung des Betreibers und der von ihm erzeugten Strommengen im Rahmen von Satz 1 Nummer 1 gilt ein anteiliges vertragliches Nutzungsrecht des Letztverbrauchers an einer bestimmten Erzeugungskapazität der Stromerzeugungsanlage als eigenständige Stromerzeugungsanlage, wenn und soweit der Letztverbraucher diese wie eine Stromerzeugungsanlage betrieben hat. 3§ 61h Absatz 2 Satz 1 ist entsprechend anzuwenden. 4Die Sätze 1 und 2 sind auch für Strom anzuwenden, den das Elektrizitätsversorgungsunternehmen ab dem 1. August 2014 in derselben Stromerzeugungsanlage erzeugt und an einen Letztverbraucher geliefert hat, soweit und solange
- die Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 weiterhin erfüllt sind,
- sich die Pflicht des Letztverbrauchers zur Zahlung der EEG-Umlage nach § 61c oder § 61d auf 0 Prozent verringern würde, wenn der Letztverbraucher Betreiber der Stromerzeugungsanlage wäre,
- die Stromerzeugungsanlage nicht erneuert, ersetzt oder erweitert worden ist und
- das Nutzungsrecht und das Eigenerzeugungskonzept unverändert fortbestehen.
5§ 74 Absatz 1 und § 74a Absatz 1 sind entsprechend anzuwenden.