Nr. 61
Oberlandesgericht Frankfurt am Main ruft EuGH zu Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens über einen in Curaçao ansässigen Online-Glücksspielanbieter auf Vollstreckungsmaßnahmen in der EU an
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Frage, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines in Curaçao ansässigen Glücksspielanbieters der Zwangsvollstreckung in auf Zypern vermutete Konten entgegensteht, dem EuGH vorgelegt.
Die Gläubigerin hatte an Online-Glückspielen bei der Schuldnerin, die in Curaçao ins Handelsregister eingetragen ist, teilgenommen. Mit ihrer Klage begehrte sie die Rückzahlung von Spielverlusten in Höhe von knapp 60.000,00 €. Insoweit ist gegen die Schuldnerin ein inzwischen rechtskräftiges (Versäumnis)-Urteil ergangen. Die Gläubigerin möchte nun auf Zypern in dort vermutete Konten der Schuldnerin vollstrecken. Sie trägt vor, die Schuldnerin habe ein oder mehrere Konten auf Zypern, da ihre Wetteinsätze über zypriotische Unternehmen an die Schuldnerin weitergeleitet worden seien. Das Landgericht hatte den Antrag auf Auskunft über etwaige Konten der Schuldnerin in Zypern abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Sie behauptet, in der Regel handele es sich bei auf Curacao ansässigen Glücksspielbetreibern um Briefkastenfirmen ohne Vermögenswerte auf der Insel. Diese und weitere zwischengeschaltete Gesellschaften dienten der Verschleierung von Glücksspieleinnahmen, um sich der Zwangsvollstreckung zu entziehen. Sie verweist zudem darauf, dass zwischenzeitlich über das Vermögen der Schuldnerin in Curaçao ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Der zuständige 7. Zivilsenat hat nun den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung von Art. 2 c der EU-Verordnung über die vorläufige Kontenpfändung bei grenzüberschreitender Forderungseintreibung (VO (EU) 655/2014) angerufen. Demnach gilt die EU-VO zur hier begehrten vorläufigen Kontenpfändung nicht für Forderungen gegen Schuldner, gegen die ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Erfasst werden dabei nach den Erwägungsgründen der VO Insolvenzverfahren in einem EU-Mitgliedstaat. Hier liege jedoch ein Insolvenzverfahren in einem Drittland vor. Insoweit stelle sich die Frage, welche Wirkungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Drittland auf die Anwendbarkeit der VO habe. Möglich sei, dass dann nach dem Recht eines Mitgliedstaates, hier Deutschland, geprüft werde, ob das Insolvenzverfahren wirksam eröffnet wurde. Sei dies der Fall - wie hier - könne nicht weiter vollstreckt werden. Möglich sei aber auch, dass Insolvenzverfahren außerhalb der EU von der VO generell nicht anerkannt würden und damit auch der vorläufigen Vollstreckung nicht entgegenstünden.
Da diese Frage hier entscheidungserheblich sei, sei der EuGH zur Auslegung der Verordnung anzurufen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.10.2024, Az. 7 W 13/24
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 5.6.2024, Az. 2-12 O 232/23)
Die Entscheidung ist im Volltext unter www.rv.hessenrecht.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar.
Erläuterungen:
Artikel 2 VO (EU) 655/2014 Anwendungsbereich
(1) 1Diese Verordnung gilt für Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen bei grenzüberschreitenden Rechtssachen im Sinne des Artikels 3Öffnet sich in einem neuen Fenster, ohne dass es auf die Art des Gerichts ankommt. 2Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“).
(2) Diese Verordnung gilt nicht für:
- a)die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten;
- b)das Gebiet des Testaments- und Erbrechts, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen;
- c)Forderungen gegenüber einem Schuldner, gegen den Insolvenzverfahren, Vergleiche oder ähnliche Verfahren eröffnet worden sind;
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