Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Freiheitsstrafe von zwei Jahren

Nr. 59/2025

Der 5. Strafsenat - Staatsschutzsenat - des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat heute die 35-jährige Duygu D. der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (hier: „IS“) schuldig gesprochen und sie zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. 

In der an neun Tagen durchgeführten Hauptverhandlung hat der Senat nach der mündlichen Urteilsbegründung folgendes festgestellt:

Die Angeklagte sei deutsche Staatsangehörige. Ihre Eltern stammten aus der Türkei und immigrierten im Erwachsenenalter nach Deutschland. Die dreiköpfige Familie habe zunächst ein bürgerliches Leben geführt. Nach der Trennung der Eltern habe die Angeklagte in beengten Verhältnisse bei ihrer Mutter gelebt und sei als Jugendliche gegen ihren Willen zu einer alleinstehenden Tante in die Türkei geschickt worden. Dort habe sie die Hochschulreife erlangt. Ihr dort anschließend aufgenommenes Studium habe sie nach drei Semestern abgebrochen und sei gegen den Willen ihrer Mutter nach Deutschland zurückgekehrt. Grund für ihre Rückkehr sei auch ihre Beziehung zu ihrem gleichaltrigen Jugendfreund S. G. gewesen, den sie seit ihrem 14. Lebensjahr gekannt habe.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland habe sie zunächst mit S. G. zusammengelebt, bis sich das Paar getrennt habe.

Während die Angeklagte im Jahr 2014 nur noch sporadischen Kontakt zu S. G. gehabt habe, habe dieser intensive Kontakte zu einer Gruppe von jungen Männern gehabt, die sich dem salafistischen Islam zuwandten. Gemeinsam mit diesen habe sich S. G. an mehreren Koranverteilungen des sogenannten „Lies!“-Projekts der am 15. November 2016 verbotenen Vereinigung „Die Wahre Religion“ beteiligt. S. G. habe sich religiös radikalisiert und sei schließlich im November 2014 nach Syrien ausgereist, um sich dort der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (im Folgenden: „IS“) anzuschließen. Im Zuge der Hinwendung einer Vielzahl von Jugendlichen in ihrem Umfeld zum salafistischen Islam habe auch die Angeklagte begonnen, ein stärkeres Interesse für Religion und insbesondere für den sunnitischen Islam zu entwickeln. Sie habe sich - nach anfänglichem Befremden - nach der Ausreise des S. G. intensiv mit der Ideologie des „IS“ und dessen Propaganda befasst und sich spätestens ab Ende des Jahres 2014 ebenfalls einer islamistisch-salafistischen bzw. jihadistischen Glaubenseinstellung zugewandt.

Nachdem die Angeklagte noch im November 2014 versucht habe, S. G. zur Rückkehr nach Deutschland zu bewegen, sei dessen Werben um die Angeklagte und dessen Bitte, sie möge ihm nach Syrien zum „IS“ folgen, im Laufe des Januar 2015 auf fruchtbaren Boden gefallen, da sich die Angeklagte nun zunehmend mit der Ideologie des „IS“ und dessen Zielen und Handlungsweisen identifiziert und diese gutgeheißen habe.

In Absprache mit S. G. und unter Einsatz von „IS“-Schleusern sei sie im März 2015 in das vom „IS“ beherrschte Kampfgebiet in der Nähe von Jarabulus gereist. Zu dieser Zeit habe S. G. bereits die einmonatige Scharia-Ausbildung und das zweimonatige Militär-Training des IS absolviert gehabt und sich einem Kampfverband des „IS“ als Kämpfer angeschlossen. Nach kurzem Aufenthalt in mehreren Frauenhäusern des „IS“ habe S. G. die Angeklagte abgeholt und Anfang April 2015 nach islamischem Ritus geheiratet.

Die Angeklagte und S. G. hätten zunächst für sechs Monate in Jarabulus gelebt. Aufgrund der heranrückenden Truppen der „Anti-IS-Koalition“ (einem US-amerikanisch geführten Militärbündnis von über 50 Nationen) hätten sie sich dann über Manbic, Raqqa, Mayadin, Abu Kamal und schließlich nach As Susah begeben, wo sie von Anfang 2018 bis Anfang 2019 lebten.

Die Angeklagte, die die Ideologie, die Handlungsweisen und die Ziele des „IS“ gekannt und begrüßt habe, habe sich von Beginn ihres Aufenthaltes im „IS“-Gebiet in die Vereinigung eingegliedert und den Regeln des „IS“ unterworfen. Sie habe die Tätigkeit des S. G. für den „IS“ befürwortet.  Sie habe ihn unterstützt, indem sie den Haushalt geführt, die gemeinsamen 2016 und 2018 geborenen Kinder und ihn versorgt habe und ihm damit ermöglicht habe, sich auf seine Tätigkeit als Kämpfer für die Vereinigung zu konzentrieren. Das Paar habe von Leistungen der Terrororganisation gelebt. Nachdem sich die Versorgungslage des militärisch immer weiter in Bedrängnis geratenen „IS“ und dessen Angehörigen ab dem Jahr 2018 kontinuierlich verschlechtert habe, hätten sie sich im Jahr 2018 durch den Verkauf von Kleidung aus Kleiderspenden des Roten Kreuzes und den Verkauf von Süßwaren finanziell über Wasser gehalten.

Als die Angriffe der „Anti-IS-Koalition“ auf den „IS“ ab Anfang 2019 auch As Susah erreicht hätten, sei die Angeklagte mit S. G. und ihren Kindern nach Baghuz, dem letzten Rückzugsort des „IS“, gezogen. Dieser sei am 23. März 2019 von der „Anti-IS-Koalition“ eingenommen worden. Wenige Tage zuvor hätten sich zunächst die Angeklagte mit den Kindern und kurze Zeit danach schließlich auch S. G. den Einheiten der kurdischen Volksverteidigung ergeben, nachdem sie und insbesondere die Kinder den wochenlangen Strapazen der Flucht und zuletzt in Baghuz massiven Kampfhandlungen ausgesetzt gewesen seien.

Ab Ende März 2019 habe die Angeklagte mit ihren Kindern unter schwierigen Bedingungen im Lager al-Hawl in Nordsyrien gelebt. Von dort sei sie in das kleinere und besser kontrollierte Lager Roj verlegt worden. Während die Angeklagte im Camp al-Hawl noch nach außen erkennbar der „IS“-Ideologie angehangen und auf ein Wiedererstarken des „IS“ und ihre Befreiung aus dem Lager al-Hawl gehofft und auch ihre Kinder weiter im Sinne der „IS“-Ideologie erzogen habe, sei ihr im Lager Roj fern von der Einflussnahme radikaler IS-Anhängerinnen und unter strengeren Verhaltensregeln der dortigen Sicherheitskräfte eine innere Abkehr und Distanzierung vom „IS“ gelungen.

Am 30. März 2022 sei die Angeklagte mit ihren Kindern nach Deutschland zurückgeführt worden. Nach einer Inobhutnahme der Kinder durch das Jugendamt, lebe die Angeklagte seit August 2022 wieder gemeinsam mit ihren Kindern in einer Mietwohnung.

Trotz des Gewichts der Taten sei bei der Strafzumessung ganz erheblich zu Gunsten der Angeklagten ihr vollumfängliches und von glaubhafter Reue getragenes Geständnis zu berücksichtigen, durch das sie auch Details offenbart habe, die den strafrechtlichen Ermittlungen verschlossen geblieben seien. Erheblich strafmildernd wirke sich zudem aus, dass die Angeklagte nicht vorbestraft sei, die Taten bereits mehr als fünf Jahre zurückliegen und die Angeklagte seit nun mehr als dreieinhalb Jahren ein straffreies Leben in Deutschland führe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sich die Angeklagte glaubhaft von ihrer vormaligen religiösen Radikalität distanziert und sich von der „IS“-Ideologie gänzlich losgesagt und als Zeugin in weiteren Ermittlungsverfahren gegen „IS“-Rückkehrerinnen bereits ausgesagt habe und weiterhin für Aussagen zur Verfügung stehe. Die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe sei erfolgt, weil sich die nicht vorbestrafte Angeklagte seit Begehung der Taten straffrei geführt habe und ihr während des mehr als dreijährigen Gewahrsams in den Lagern unter schwierigsten Lebensbedingungen das von ihr begangene Unrecht bereits - jedenfalls teilweise - verdeutlicht worden sei. Hinzu komme, dass die Angeklagte nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik eine durchweg positive Entwicklung genommen habe.

Das Urteil ist rechtskräftig, weil sowohl die Angeklagte und ihr Verteidiger als auch die Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main nach dessen Verkündung auf das Rechtsmittel der Revision verzichtet haben.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.10.2025, Az. 5 St 4/23

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