Das Landgericht Frankfurt am Main hat heute eine Klage des Insolvenzverwalters des ehemaligen Neckermann-Konzerns gegen vormalige Geschäftsführer und Aufsichtsräte abgewiesen. Gegenstand der Klage waren Zahlungen über rund 19 Mio. Euro. Diese hatte Neckermann zu einem Zeitpunkt getätigt, als das Unternehmen in einer finanziellen Schieflage war, die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag aber noch nicht gestellt hatte.
Trotz mehrerer Restrukturierungsmaßnahmen befand sich Neckermann zu Beginn des Jahres 2012 in einer schlechten wirtschaftlichen Lage. Das Unternehmen war zwar nicht zahlungsunfähig, jedoch seit März 2012 bilanziell überschuldet. Absehbar fehlten ab Jahresende 2012 liquide Mittel in zweistelliger Millionenhöhe. Ab Frühjahr 2012 führte die Geschäftsführung intensive Verhandlungen mit dem Alleingesellschafter als Geldgeber. Er forderte unter anderem den Abbau von knapp 1.400 Arbeitsplätzen ohne Abfindung. Da die Arbeitsnehmerseite dem nicht zustimmte, stellte die Geschäftsführung von Neckermann am 23. Mai 2012 das Scheitern der Verhandlungen mit dem Betriebsrat fest.
In der Folgezeit wurden die Verhandlungen gleichwohl zwischen dem Betriebsrat und Neckermann fortgeführt. Es wurde unter anderem ein geänderter Sozialplan entworfen. Die Geldgeber äußerten sich zwar zunächst positiv, lehnten es aber am 18. Juli 2012 endgültig ab, Neckermann weiteres Kapital zu geben. Am selben Tag stellte die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
Bis Juli 2012 hatte Neckermann seine Geschäftstätigkeit fortgesetzt und Ausgaben getätigt. Im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat der Insolvenzverwalter die Ansicht vertreten, die ehemaligen Geschäftsführer des Unternehmens hätten Zahlungen von rund 19 Mio. Euro nach dem 23. Mai 2012 nicht veranlassen dürfen, weil bereits Insolvenzreife vorgelegen habe.
Die 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat heute entschieden: „Die Zahlungen ab Mai 2012 bis zur Insolvenzantragstellung sind nicht zu beanstanden, da seinerzeit die begründete Annahme bestand, dass Neckermann fortbestehen könne (sog. positive Fortführungsprognose). Denn auch wenn im Mai 2012 das Scheitern der Gespräche mit den Betriebsräten verkündet worden war, wurden die Verhandlungen mit den Geldgebern unter Beteiligung der Arbeitnehmerseite ernsthaft fortgesetzt. Die ehemaligen Geschäftsführer erstellten ein für die Gesellschaft aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept und darauf aufbauend einen tragfähigen Finanzplan. Die Sanierung von Neckermann war aus damaliger Sicht Erfolg versprechend.“
Darüber hinaus stellte die Kammer fest, die Zahlungen von rund 19 Mio. Euro seien nicht schuldhaft erfolgt, denn die Geschäftsführung habe durchweg externen arbeits- und insolvenzrechtlichen Rat eingeholt: „Die Geschäftsführer haben unter Inanspruchnahme sach- und fachkundiger Expertenhilfe auf die richtige Art und Weise ein plausibles Sanierungskonzept erarbeitet, welches mit sach- und fachkundiger Unterstützung laufend überprüft und angepasst wurde.“
Auch die ehemaligen Aufsichtsräte hafteten nicht, so die Kammer. Sie hätten ihre Überwachungspflichten nicht verletzt. Da die Fortführungsprognose im Zeitraum der beanstandeten Zahlungen positiv gewesen sei, hätten die Aufsichtsräte nicht darauf hinwirken müssen, dass die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag stellt.
Schließlich haben die Richter die Klage auch deswegen abgewiesen, weil Ansprüche gegenüber den ehemaligen Geschäftsführern und mehreren vormaligen Aufsichtsräten von Neckermann verjährt seien.
Das heutige Urteil (Aktenzeichen 2-21 O 182/17) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.