Nr. 27/2025
Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse begründet ein öffentliches Informationsinteresse an der namentlichen Nennung von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an einem Gerichtsverfahren mitwirken. Ob der (vollständig) Name genannt wird, können Medienvertreter allein nach publizistischen Interessen entscheiden, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute verkündeter Entscheidung.
Die Klägerin ist Richterin. Die Beklagte hat ein Buch mit dem Titel „Rechte Richter“ verlegt. Darin wird an einer Stelle unter bestimmten Überschriften im Zusammenhang mit der Darstellung eines Strafverfahrens, das die Klägerin als Vorsitzende der Strafkammer geleitet hatte, unter Nennung ihres vollständigen Namens eine Äußerung aus der mündlichen Urteilsbegründung wiedergegeben. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung des Buchvertriebs mit ihrer vollen Namensnennung in Anspruch.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte auch vor dem zuständigen 16. Zivilsenat des OLG (Pressesenat) keinen Erfolg. Die Klägerin habe nach Abwägung der auf beiden Seiten involvierten Interessen keinen Anspruch, dass das Buch ohne Nennung ihres Namens in den Verkehr gebracht werde, bestätigte das OLG.
Die Namensnennung der Klägerin, deren Verfahrensführung zudem als kritikwürdig beschrieben werde, sei zwar geeignet, sie in ihrem beruflichen und persönlichen Ansehen zu beeinträchtigen. Dem stehe jedoch das überwiegende Interesse der Beklagten auf Meinungsfreiheit und der Wahrnehmung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an der Berichterstattung gegenüber. Grundsätzlich bestehe wegen der Informations- und Kontrollfunktion der Presse ein öffentliches Informationsinteresse an der namentlichen Nennung von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an einem Gerichtsverfahren mitwirken. Die Informationsfunktion der Presse erschöpfe sich nicht in der Berichterstattung zu sachlichen Verfahrensinhalten. Der mit Verfassungsrang versehene Öffentlichkeitsgrundsatz von Gerichtsverhandlungen beinhalte die Möglichkeit des (presse)öffentlichen Bekanntwerdens der Namen der mitwirkenden Personen. Dies sei von der Verfassung nicht bloß „hingenommen“ worden, sondern „entspreche der normativen Stoßrichtung“, führte der Senat unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter aus. „Die Öffentlichkeit der Verhandlung soll unter anderem auch die Möglichkeit eröffnen, personelle Zurechnungszusammenhänge deutlich zu machen und so persönliche Verantwortlichkeiten zu markieren“, ergänzte der Senat.
Für die Namensnennung einer in amtlicher Funktion an einem in der Öffentlichkeit stehenden Strafverfahren mitwirkenden Person sei auch kein zusätzliches „wissenswertes Interesse“ erforderlich. Es komme auch nicht darauf an, ob ein irgendwie geartetes „Bedürfnis“ der Presse an der Namensnennung vorliege. Die Presse dürfe allein nach publizistischen Kriterien entscheiden, „was sie des öffentlichen Interesses für werthält und was nicht“. Dieser Grundsatz gelte nicht nur für tagesaktuelle Presse, sondern auch für dauerhaft als Buch verfügbare Publikationen.
Ein Vorrang des Persönlichkeitsinteresses sei allerdings anzunehmen, wenn die an der Rechtspflege mitwirkenden Personen erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung zu befürchten hätten. Dies sei hier nicht anzunehmen. Schließlich sei die Namensnennung hier auch nicht mit der Darstellung von unwahren oder entstellten Tatsachen über die Klägerin verbunden. Es werde nicht der Eindruck erweckt, bei der Klägerin handele es sich um eine Person mit rechtsextremistischen Einstellungen. Die von der Klägerin befürchtete Gefährdung ihres beruflichen Fortkommens und erhöhte Gefahr verstärkt eingereichter Befangenheitsanträge führten nicht zu einem anderen Abwägungsergebnis. „Eine über das Bekanntwerden ihrer Mitwirkung an dem Strafverfahren und ihre Einschätzung der Beweislage hinausgehende „Prangerwirkung“ vermag der Senat nicht zu erkennen“, betonte der Senat.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil 8.5.2025, Az. 16 U 11/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.12.2022, Az. 2-03 O 60/22)
Die Entscheidung ist in Kürze unter www.rv.hessenrecht.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar.