Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Zu späte Terminierung des Verfahrens verletzt das Beschleunigungsgebot

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hebt vom Landgericht bereits außer Vollzug gesetzte Haftbefehle auf.

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Nr. 50/2023

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft den fünf Angeschuldigten die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln mit Anklage vom 14.04.2023 vor. Das Landgericht Frankfurt am Main hatte nach einer vom Präsidium zurückgewiesenen Überlastungsanzeige mit Beschluss vom 30.06.2023 die Haftbefehle gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, da eine Terminierung des Verfahrens frühestens im Januar 2024 erfolgen könne. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) die Haftbefehle aufgehoben, da das Beschleunigungsgebot verletzt sei.

Den fünf Angeschuldigten wird die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt. Sie sollen 110 kg Kokainzubereitung aus Brasilien über den Frankfurter Flughafen am 16. November 2022 eingeschmuggelt haben. Die Angeschuldigten befanden sich aufgrund Haftbefehlen des Amtsgerichts Frankfurt am Main seit dem 17. bzw. 19. November 2022 in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft erhob am 14. April 2023 Anklage zum Landgericht Frankfurt am Main – Große Strafkammer -. Der Vorsitzende der großen Strafkammer zeigte dem Präsidium des Landgerichts Ende Mai Überlastung an und ersuchte das Präsidium des Landgerichts Frankfurt am Main, die Überlastung der großen Strafkammer festzustellen und das vorliegende Verfahren auf eine andere Strafkammer zu übertragen. In der Sitzung des Präsidiums des Landgerichts Frankfurt am Main am 31. Mai 2023 wurde die Überlastungsanzeige erörtert. Eine Überlastung wurde mehrheitlich nicht festgestellt. Mit Beschlüssen vom 30. Juni 2023 setzte die Kammer nachfolgend die Haftbefehle des Amtsgerichts Frankfurt am Main gegen Auflagen außer Vollzug. Zur Begründung führte sie aus, dass die Durchführung der Hauptverhandlung vor Januar 2024 nicht in Betracht komme und vor diesem Hintergrund der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Außervollzugsetzung gebiete. Die Angeklagten waren auf der Grundlage dieser Entscheidung bereits aus der Haft entlassen worden. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

Das OLG hat auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft die Haftbefehle aufgehoben. Es liege zwar ein dringender Tatverdacht vor. Der von der Strafkammer avisierte Beginn der Hauptverhandlung frühestens im Januar 2024 verletze jedoch das Beschleunigungsgebot. Statt der üblicherweise anzusetzenden drei Monate zwischen Eröffnungsreife und Hauptverhandlung stünden hier rund sechs Monate im Raum. Es bestehe keine Möglichkeit, auf die Terminierung der Kammer oder die dem Präsidium obliegende Gerichtsorganisation des Landgerichts Einfluss zu nehmen. „Justizinterne Unstimmigkeiten zwischen dem Präsidium des Gerichts und der Kammer bezüglich deren Belastungssituation dürfen nicht zulasten der Angeschuldigten gehen“, führte das OLG aus. Diese hätten die absehbare Verzögerung keinesfalls zu vertreten.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.7.2023, Az.: 1 Ws 225-229/23

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 30.6.2023, Az.: 5/24 KLs – 5780 Js 255720 (4/23))

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